Einzelhandel: Rewe – Bankenkrise tut der Expansion keinen Abbruch

Von Ruth Vierbuchen

Wir merken noch nichts von einer Kreditklemme“, stellt Stephan Koof, nationaler Expansionsleiter für das Vollsortiment (REWE) der Rewe-Zentral AG in Köln mit Blick auf die Bankenkrise fest. Auch die Verbraucher hätten bisher recht besonnen reagiert, bestätigt er den Eindruck, dass der Wirbel um die weltweite Kreditkrise die Bundesbürger bislang nicht übermäßig verunsichert hat. Diesen Trend registriert bisher auch der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE).

Das ehrgeizige Expansionsprogramm, das sich der zweitgrößte Lebensmitteleinzelhändler Deutschlands für die nächsten fünf Jahre gesetzt hat, sieht Rewe-Expansionsleiter Koof derzeit nicht gefährdet. Insgesamt 750 neue Märkte sollen bis zum Jahr 2013 gebaut werden, quer durch die Vertriebslinien des Konzerns – also die Rewe Supermärkte, die Discounter Penny und die toom-Verbrauchermärkte. Die Größenordnung reicht von dem 500 qm großen Citymarkt (Nahversorger) bis zum 5 000 qm großen Verbrauchermarkt. Nach Köpfen sollen dadurch insgesamt 25 000 neue Arbeitsplätze entstehen.

Von den 200 konkreten Projekten, die bei Rewe aktuell in der Entwicklung sind, seien nur zwei gefährdet, wenn die Rewe nicht eingreifen würde, so Koof. In diesen Fällen springt der Handelskonzern, der im Vorjahr 45 Mrd. Euro Umsatz und ein EBT (nach IFRS) von rd. 735 Mio. Euro erzielte, mit Baukostenzuschüssen ein, die später etwa über Mietreduzierungen abgezinst werden.

„Wir haben als Rewe die Liquidität dafür“,

stellt Koof nüchtern fest.

Und auch auf dem Markt der Investoren ist die Lage nicht überall so angespannt, wie angesichts der Bankenkrise befürchtet wird. Gerade ausländische Investoren, die in der Vergangenheit sehr gut verkauft und jetzt sehr viel Geld haben, werden nach Erfahrung des Rewe-Expansionsleiters derzeit in Köln vorstellig, weil sie in Projekte einsteigen wollen. In Zeiten der Finanzkrise und der Achterbahnfahrten an den weltweiten Börsen sind genossenschaftliche Unternehmen wie die Rewe Group, die vom Verfall der Aktienkurse unberührt bleiben, als Geschäftspartner wieder sehr gefragt.

„Als Genossenschaft unterliegen wir nicht dem Diktat der Börse“,

stellt Koof fest.

Alles, was bis vor kurzem noch als bodenständig und damit langweilig galt, hat heute begehrte Eigenschaften wie Sicherheit und Zuverlässigkeit. Werte wie Loyalität und Vertrauenswürdigkeit zahlen sich jetzt wieder aus. Diese positive Erfahrung machte auch der Rewe-Wettbewerber Edeka aus Hamburg, die zweite große Genossenschaft im deutschen Lebensmitteleinzelhandel.

Bei der Kölner Rewe Group ist nur der geringste Teil des deutschen Filialnetzes im Eigentum. Der Eigentumsanteil liegt im einstelligen Prozentbereich. Frei nach dem Zitat des Vollbluthändlers:

„Wir investieren in Sortimente, nicht in Steine“,

schätzt der Handelskonzern an seiner Rolle als Mieter die hohe Flexibilität und die geringe Kapitalbindung, die damit verbunden ist. Lediglich bei den großen toom-Verbrauchermärkten und Fachmarktzentren, die teurer und schwieriger zu entwickeln sind, und beim Filialnetz im Ausland ist der Eigentumsanteil höher. Bei Wettbewerbern aus dem Discountbereich wie Aldi und Lidl ist die Strategie eine andere. Hier ist noch der überwiegende Teil des Filialnetzes im Eigentum.

Grundlage der Expansionsstrategie für die Rewe-Märkte, die sich in erster Linie auf die alten Bundesländer konzentriert, sind eine detaillierte Analyse des westdeutschen Marktes, der bis auf die einzelnen Bezirke herunter gebrochen wurde, um das noch bestehende regionale Potenzial auszuloten. Im Kern der Strategie steht eine modular aufgebaute Sortimentsstruktur. So wird zunächst genau analysiert, welche Sortimente an den jeweiligen Standorten schon vorhanden sind – und vor allem: welche noch fehlen. Entsprechend wird das Angebot des Rewe-Marktes auf den fehlenden Sortimenten aufgebaut.

Die Expansionspläne der Kölner sehen vor allem die Ausweitung des Supermarkt- und Discount-Netzes vor, aber auch für die Großfläche, den bis zu 5 000 qm großen toom-Märkten, sehen die Kölner noch Potenzial in Deutschland, wie Koof erläutert. Für diese diffizile Aufgabe wird in den Regional-Teams, mit denen Rewe arbeitet, je ein Mitarbeiter abgestellt. Vor allem in den Großstädten und Ballungsgebieten liegt die durchschnittliche Flächenausstattung bei Verbrauchermärkten mit 250 bis 300 qm je 1 000 Einwohner nach Rewe-Schätzung noch unter dem Bundes-Durchschnitt von 350 qm. Diese unterdurchschnittliche Ausstattung mit SB-Warenhäusern und Verbrauchermärkten in Städten mit mehr als 200 000 Einwohnern bestätigt auch die BBE Handelsberatung in München.

Da die „grüne Wiese“ als Standort inzwischen weitgehend passé ist, wie auch der „Fachmarkt Atlas 2009“ der BBE festgestellt hat, konzentriert sich Rewe auf Brachflächen und Revitalisierungsobjekte in integrierten Lagen möglichst wohngebietsnah. Platz gibt es laut Koof in den Großstädten noch, das Problem sind eher die erforderlichen Baugenehmigungen.

Industriebrachen besiedelt Rewe beispielsweise auf dem Gelände einer alten Spinnerei in Bayreuth, eines Straßenbahn-Depots in Frankfurt-Bornheim und in Frankfurt-Sachsenhausen. In Brühl am Rhein entstand auf dem denkmalgeschützten Gelände einer ehemaligen Brauerei gemeinsam mit einem Entwickler sogar ein ganzes Einkaufs-Zentrum, in dem Rewe mit einem Elektrofachmarkt der Vertriebsschiene Promarkt und einem größeren toom-SB-Warenhaus vertreten ist. Das Center mit rd.15 000 qm grenzt an die innerstädtische Fußgängerzone, die dadurch stark aufgewertet wurde. Wenn sich die Renaissance der deutschen Innenstädte fortsetzt und der Zuzug der Wohnbevölkerung in die Cities anhält, dann wird es laut Koof auch wieder mehr Bedarf für Lebensmittelmärkte in den Cities geben.

Mit seiner ehrgeizigen Expansionsstrategie steht Rewe bekanntlich nicht allein. Auch der Hamburger Wettbewerber Edeka hatte zur Expo Real ein stattliches Programm mit jährlich 200 neuen Supermärkten und 150 Netto-Discountern angekündigt. Dafür will Edeka-Chef Markus Mosa 1 Mrd. Euro investieren. In diesem Wettlauf der deutschen Handelskonzerne freut sich Koof darüber, dass Rewe den Hamburger Wettbewerber in punkto Neueröffnungen 2007 eingeholt hat.

Insgesamt vollzieht sich die Expansion der deutschen Lebensmittelriesen im Rahmen eines umfassenden Strukturwandels. Die Zahl der Verkaufsstellen nimmt nach Beobachtung der Münchener BBE ab, dafür werden die Flächen größer. So ist die Zahl der Lebensmittelgeschäfte von 77 200 (1995) auf 61 500 (2005) gesunken. Hinzu kommt, so stellt HDE-Präsident und Rewe-Vorstand Josef Sanktjohanser fest, dass der Konzentrationsprozess weiter geht und viele kleine Unternehmen aufgeben.

Quelle: HIR, Nr. 35

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