Einzelhandel: Bochum schafft Raum für neue Sortimente und Marken

Von Randolph Calderoni, Einzelhandelsspezialist Brockhoff & Partner

Bochum, „wo das Herz noch zählt“. So charakterisierte schon vor Jahren der Sänger Herbert Grönemeyer seine Heimatstadt mitten im Ruhrgebiet, zwischen Dortmund und Essen gelegen. Fünf Millionen Menschen zählt das Ruhrgebiet als größter Ballungsraum Europas, davon leben 373 000 in Bochum. Grönemeyers Einschätzung teilen auch heute noch viele. Wirtschaftlich gesehen hat sich der Standort Bochum allerdings in den vergangenen 40 Jahren seit Gründung der ersten Nachkriegsuniversität gehörig gewandelt. Seit über 30 Jahren gibt es in Bochum keine Zeche mehr, die Stahlerzeugung hat an Bedeutung verloren.

Gesicht geben der Bochumer Wirtschaft heute Firmen wie Opel, BP und GEA. Die führende Rolle jedoch hat der Dienstleistungssektor übernommen. Zu den größten Arbeitgebern Bochums gehören die Hochschulen. Etwa 6 000 Menschen sind in Wissenschaft, Forschung und Verwaltung beschäftigt. Die Hochschulen und die daneben angesiedelten Technologie-Zentren repräsentieren heute den Standort Bochum.

Auch die Beschäftigten profitieren vom vielfältigen kulturellen Angebot der Stadt und der gesamten Region. Sie besuchen Konzerte, Museen, Musicals und Festivals. Die traditionsreiche Kultur – wie Schauspielhaus, Museum Bochum und Deutsches Bergbau-Museum – und auch die freie Szene spielen eine wichtige Rolle. Zur hohen Freizeitqualität gehört zudem das breite Sportangebot, sowohl aktiv als auch passiv, – auf Bundesliga-Ebene mit dem VfL Bochum. So ist Bochum auch Spielort der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010 und der Frauenfußballweltmeisterschaft 2011. Das Nachleben findet der Besucher im Bermuda3Eck in der Bochumer City. Dieses verkehrsberuhigte Straßendreieck in der Innenstadt zieht mit seinem vielfältigen gastronomischen Angebot auch Bewohner aus Nachbarstädten magisch an.

Daneben steht auch das Thema „Shopping“ im Mittelpunkt des Lebens. Mit einer einzelhandelsrelevanten Kaufkraftkennziffer von 102,6 und einer einzelhandelsrelevanten Umsatzkennziffer von 114,6 (Quelle: GfK) sowie einem Einzugsgebiet von rund 700 000 Einwohnern aus Bochum, Herne, Castrop-Rauxel, Witten, Hattingen u.a. sind die Rahmenbedingungen für den Einzelhandel günstig.

Wer in Bochum einkaufen will, hat die Qual der Wahl. Bereits 1964 wurde am Kreuz der Autobahnen, die heute A 43 und A 40 heißen, mit dem Ruhr-Park ein Shopping Center eröffnet, das an der Schnittstelle der Nord-Süd- und der Ost-West-Verbindung mit dem Auto von allen Ruhrgebietsstädten aus gut zu erreichen ist. Heute hat der Ruhr-Park über 126 000 qm Mietfläche und Ankermieter wie Karstadt, Karstadt-Sport und MediaMarkt.

Damit ist der Ruhr-Park eine beachtliche Konkurrenz zur Bochumer City, die über ca. 500 Geschäfte auf ca. 101 000 qm Verkaufsfläche und über 5 000 Stellplätze verfügt. Der Einzelhandelsstandort Bochum-City kann dabei in drei Quartiere unterteilt werden. Die Kortumstraße, die im Bereich zwischen Husemannplatz und dem Einkaufszentrum CityPoint/Drehscheibe die klassische 1a-Lage mit einem Filialisierungsgrad von ca. 70 % bildet, beheimatet dabei u.a. den größten Saturn-Markt des Ruhrgebiets im historischen Kortumhaus, C & A, Sinn-Leffers, Douglas, Voswinkel und die Mayer‘sche Buchhandlung sowie im Einkaufszentrum Drehscheibe/City-Point über 70 weitere Geschäfte, darunter Esprit, H & M und s’Oliver. Die Mieten für Ladenlokale mit 60 – 120 qm im besten Teilstück der Hauptfußgängerzone Kortumstraße liegen zwischen 46 und 80 Euro je qm und Geschäftsflächen mit 120 – 260 qm zwischen 30 und 46 Euro.

Von der Kortumstraße führen zwei Wege zum frisch renovierten Bochumer Hauptbahnhof sowie dem zentralen Omnisbusbahnhof: die Huestraße und der Boulevard. Während sich die Huestraße als Nukleus des Quartiers der Spezialisten mit qualitativ hochwertigen Fachgeschäften einen Namen gemacht hat, stellt sich der Boulevard nach seinem Umbau als großzügig angelegte Straßenfläche dar, die sich auch für große Veranstaltungen eignet, die von der Bochum Marketing GmbH und privaten Akteuren regelmäßig durchgeführt werden.

Bedeutende Anbieter auf dem Boulevard sind das traditionsreiche Modehaus Baltz mit einer Verkaufsfläche von rd. 8 000 qm und die Fachgeschäfte der Sparkassen Galeria. Die 2002 eröffnete Stadtbad-Galerie, die unter dem Verlust ihres Ankermieters Sport-Experts litt, steht vor einer Reaktivierung als modernes innerstädtisches Einkaufs- und Bürogebäude.

Vergleiche mit anderen Innenstädten zeigen jedoch, dass die Bochumer City in einigen Sortimenten Angebotsdefizite hat. So weist die Bochumer Innenstadt – gemessen an anderen Oberzentren – quantitative Schwächen insbesondere in Branchen wie Bekleidung, Schuhe, Sportartikel, Spielwaren sowie Glas, Porzellan, Keramik, und Haushaltswaren auf. Auch fehlen „Labels“ bzw. namhafte Anbieter insbesondere im Bereich Bekleidung.

Es gibt diverse Ansätze, diese in den nächsten Jahren zu beheben. Durch den Umbau der ehemaligen Westfalenbank im Kreuzungsbereich der Kortum- und Huestraße durch den ortsansässigen Investor und Entwickler Häusser-Bau stehen Anfang 2009 neue und attraktive Verkaufsflächen in einer Größenordnung von 1 800 qm zur Verfügung. Weitere Grundstücke stehen mit dem Gelände der ehemaligen Hauptpost (ca 6 000 qm) ab 2009/2010 und dem heutigen Justizgelände (ca. 10 500 qm) ab 2013 kurz- bzw. mittelfristig für eine Entwicklung bereit.

Auch um städtische und private Investitionen in der Innenstadt zu schützen, hat der Rat der Stadt Bochum im September 2006 den Masterplan Einzelhandel für Bochum beschlossen. Der Masterplan schließt als städtebauliches Entwicklungskonzept neue Einzelhandelsstandorte außerhalb der gewachsenen Versorgungszentren weitestgehend aus.

Quelle: HIR, Nr. 35

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