Von Ruth Vierbuchen. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. September begann bei Karstadt und Primondo/Quelle die Phase der Entscheidung. Ab September fließt kein Insolvenzgeld mehr für die Mitarbeiter, immerhin ein dreistelliger Millionenbetrag, sodass die Unternehmen ihre Löhne und Gehälter wieder selbst erwirtschaften müssen. Karstadt muss weiterhin seine Mieten, die Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg gern gesenkt sehen möchte, verdienen. Bei Arbeitnehmern, Dienstleistern, Vermietern und Lieferanten wird er um Opfer bitten. Und bei Primondo/Quelle stehen die Verhandlungen über die Anschlussfinanzierung des Factorings an, auch wenn Görg optimistisch ist, dass die Gespräche über marktgerechte Konditionen bis zum 9. September abgeschlossen werden können. Es gibt noch viele Stolpersteine auf dem Sanierungsweg, bis Görg den Gläubigern vom 9. – 11. November in der Grugahalle in Essen seine Sanierungskonzepte zur Abstimmung vorlegen kann. Das Ziel muss er erst erreichen.
Auch nach Einführung der Insolvenzordnung (InsO), die 1999 in Kraft gesetzt wurde, um dem Insolvenzverwalter mehr Möglichkeiten zur Sanierung eines insolventen Unternehmens zu geben, bleibt die Rettung eines Warenhaus-Konzerns ohne eigene Immobilien und eines Versenders im Umfeld der aktuellen Krise eine heikle Mission. Insofern ist es für die Gläubiger ratsam, sich klar zu machen, dass sie bei einem solchen Insolvenzfall kaum eine wirkliche Wahl haben: Entweder, sie verzichten auf einen wesentlichen Teil ihrer Forderungen, um zumindest einen kleinen Teil zu retten, oder sie gehen leer aus. Denn bei der Liquidation eines Handelskonzerns ohne Immobilien bleibt nicht viel übrig. Zumal, wie Görg bereits Mitte August mitteilte, im Arcandor- Konzern alles verpfändet wurde, was nicht niet- und nagelfest war. Insofern sollten die Gläubiger Plan B immer griffbereit halten. Großaktionärin Madeleine Schickedanz kann ihren Schaden schon heute ermessen, nachdem der Versuch, den Arcandor-Konzern als Ganzes im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens zu retten, gescheitert ist und die Aktien damit ihren Wert verlieren.
Doch befindet sie sich zumindest in der „komfortablen“ Situation, dass sie für Fehler zahlt, die sie als Großaktionärin mit zu verantworten hat. Unter Ägide der Schickedanz-Familie hat der Karstadt-Quelle-Konzern – in Abkehr zu früheren Gepflogenheiten – eine konsequente Shareholder- Value-Strategie mit hohem Gewinnausweis – der auch aus stillen Reserven stammte – und großzügigen Dividendenzahlungen verfolgt. Auch der Kauf der defizitären Schickedanz-Tochter Sinn-Leffers, die viel Geld kostete, nutzte eigentlich nur dem Großaktionär.
Und die Sanierungsarbeit von Thomas Middelhoff bestand im Wesentlichen im Verkauf der Immobilien, ohne dass die operative Ertragskraft des Konzerns nachhaltig gesteigert wurde. Dass Görg heute rechtliche Schritte gegen frühere Vorstände nicht ausschließt, zeigt die „Güte“ dieser Personalpolitik. (gi24/HIR, Nr. 54)
Kommentar hinterlassen