Von Karin Krentz
Die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden will neue Wege gehen, um den Investitionsstau bei städtischen Immobilien aufzulösen. Dabei sollen ihre Bürger mittelfristig an der Sanierung und Bewirtschaftung städtischer Immobilien durch einen Immobilienfonds beteiligt werden.
Zum Portfolio des geplanten Wiesbaden-Fonds zählen etwa 40 ausgewählte zum Teil für die Stadt prominente Immobilien (keine Wohnungen) im Gesamtwert von 18,6 Mio. Euro. 51 Prozent der Fondsanteile bleiben im städtischen Besitz, 49 Prozent werden zur Zeichnung nur an Wiesbadener freigegeben. Die noch zu gründende Fondsgesellschaft soll der Stadt dafür 13 Mio. Euro zahlen, die verbleibenden 5,6 Mio. Euro will die Stadt der Fondsgesellschaft als Anschubfinanzierung zur Verfügung stellen.
Für die Immobilien werden neue Nutzungskonzepte aufgestellt wie für das Haus Spiegelgasse 9, Baujahr 1832, das heute vom Pariser Hoftheater genutzt wird und zuvor lange Zeit ein Hotel war. Mit der Sanierung und neuen Betreibern sowie neuen Nutzungen wie Theater, Restaurant, Gewerbe und Wohnen soll hier eine Rendite erwirtschaftet werden. Ziel ist es, dass sich alle Fondsimmobilien betriebswirtschaftlich auf Dauer selbst tragen sollen. Jeder Anleger soll eine Rendite erhalten, so Oberbürgermeister Helmut Müller. Die wird mit etwa vier Prozent etwas unterhalb des Marktwertes liegen.
Noch wird an dem Fondskonzept gefeilt, Startschuss soll Ende des Jahres sein. Alle ihre Immobilienaktivitäten will die Stadt in der Wiesbadener Immobilien Management GmbH (WIM) neu ordnen. Diese wird die beiden städtischen Wohnungsbaugesellschaften, weitere städtische Immobilien und den Fonds verwalten. Geschäftsführer ist Mathias Müller, gleichzeitig Geschäftsführer der Wiesbadener Wohnungsbaugesellschaft GWW. Wiesbadener Banken sollen die Fondsanteile vertreiben.
Das Problem des Umgangs der Stadt mit ihren Immobilien wurde akut, als in die Verwaltung die Software SAP eingeführt wurde.
„Plötzlich hatten wir Häuser, die bei dieser betriebswirtschaftlichen Betrachtung hochdefizitär waren, obwohl sie bei kameraler Betrachtung schwarze Zahlen schrieben“,
sagt H. Müller. Das führte zu der unausweichlichen Frage, warum Städte wie Wiesbaden Immobilien besitzen sollten? Doch ein Verkauf verbot sich angesichts der Bürgerproteste. Auch würden bei einer Veräußerung Möglichkeiten für die künftige Stadtgestaltung endgültig aus der Hand gegeben werden, gibt der Oberbürgermeister zu bedenken. Dahinter steckt auch der nicht ganz uneigennützige Gedanke, Wiesbaden mit seinen wunderschönen und imposanten Gebäuden fit zu machen für die Aufnahme in die Weltkulturerbeliste der Unesco.
Mit seinem Projekt befindet sich Oberbürgermeister Helmut Müller ganz auf der Linie des hessischen Finanzministers Karlheinz Weimar, der erfolgreich landeseigene Büroimmobilien, die als nicht betriebsnotwendig für das Land betrachtet wurden, in den beiden Portfolios „Leo I“ und „Leo II“ am Markt platzieren konnte. Allein das Paket „Leo I“ umfasste 18 landeseigene Liegenschaften (u.a. das Innen- und Finanzministerium, verschiedene Polizeipräsidien) mit rd. 396 700 Quadratmeter Mietfläche. Aus dem Verkaufserlös von 1,070 Milliarden Euro wurden 54 Millionen Euro der Rücklage „Zukunftsoffensive Hessen“ zugeführt. Mit dem Restbetrag wurde das Loch im Haushalt gestopft. Die Immobilien wurden zum größten Teil vom Land zurückgemietet, die jährlichen Nettomietzahlungen belaufen sich auf 55,27 Millionen Euro. Nun könne sich das Land auf seinen Kernaufgaben konzentrieren, sagte damals der Finanzminister. Denn Immobilien zu betreiben und zu verwalten gehöre nun einmal nicht zu den Kernkompetenzen einer effizient tätigen Landesregierung.
Dass die Wiesbadener Bürger keine Katze im Sack kaufen ist sich WIM-Geschäftsführer und Immobilienprofi Mathias Müller ganz sicher. Jede Immobilie würde eingewertet und die Due Dilligence in Datenschutzräumen dann für jeden Bürger einsehbar. Dieses Verfahren sei transparent und auch international so üblich. Ein hohes Lob spendet er dem Gedanken der Citizen Ship, der Verantwortung eines jeden einzelnen für seine Kommune. Diese „Citizen Ship“ ist eine neue Art der Public Private Partnership, bei der das bürgerschaftliche Engagement im Mittelpunkt steht. Die Bürger bekommen etwas für ihr Engagement zurück, sagt er – eine intakte Stadt. Zudem seien sie besser als auswärtige Investoren mit den Liegenschaften über Jahre vertraut, ein unschätzbarer Vorteil für diese Bürger-Engagements.
Überhaupt hat der Gedanke eines anderen, neuen Umgangs mit den eigenen Immobilien die Kommunen voll erfasst. Alternativmodelle zum bisher in Deutschland einmaligen städtischem Immobilienfonds Wiesbaden sind die Privatisierung des städtischen Wohnungsbesitzes wie in Dresden oder deren völlige Ablehnung wie in Freiburg. Drei Städte – drei Wege. Noch scheint der Königsweg nicht gefunden. Dresden, das sich durch den Verkauf schuldenfrei wähnte, ist dabei, wieder in tief-rote Zahlen zu rutschen. Gehört die Zukunft dem Wiesbadener Modell? Nun mischt sich sogar Landespolitik ein: Das Bürgerbegehren der Hansestadt Rostock gegen den Verkauf städtischer Immobilien wurde jüngst sogar vom Innenministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern abgelehnt. Denn der Veräußerungsgewinn sei bereits Bestandteil des Haushaltssicherungskonzepts, heißt es dort. Ist das nicht alles zu kurz gedacht?
Quelle: DIB, Nr. 169, 27.06.2008