Deutschlands Discounter am Scheideweg

Von Ruth Vierbuchen, Chefredakteurin „Handelsimmobilien Report“

Bäume wachsen bekanntlich nicht in den Himmel. Diese Weisheit gilt auch für die deutschen Lebensmittel-Discounter wie Aldi oder Lidl. Nach dem Internet-Boom zur Jahrtausendwende, der 2001 ziemlich unvermittelt in eine Konjunkturflaute mündete und angeheizt durch die Teuro-Diskussion im Jahr 2002 schien es zwar lange Zeit so, als würden in Deutschland nur noch Discount-Konzepte funktionieren und allein der Geiz die Kaufentscheidungen der Bundesbürger bestimmen. Doch bereits 2004 waren für den damaligen Präsidenten des Handelsverbands HDE, Hermann Franzen, die Grenzen der Discounter erkennbar. Bei Lebensmitteln hatten sie einen Anteil von 40% erreicht und Experten waren sich sicher, dass spätestens bei 45% Schluss sein werde.

Inzwischen bestätigt auch eine gemeinsame Studie der Managementberatungsgesellschaft Accenture und der GfK (Gesellschaft für Konsumforschung) mit dem vielsagenden Titel „Discounter am Scheideweg“, dass die Billiganbieter sich ihrem Gipfelpunkt nähern. Laut Studie soll der Marktanteil von Branchen-Primus Aldi 2007 sogar gesunken sein. Ob das den Tatsachen entspricht, wird Spekulation bleiben müssen, da sich Aldi bekanntlich nicht zu solchen Themen äußert. Der Anteil der Gesamtbranche am Lebensmittelumsatz liegt inzwischen bei 43,2%. Und da inzwischen 98% der Konsumenten mehr oder weniger regelmäßig beim Discounter einkaufen, ist das Wachstumspotenzial nur noch gering. Es sei denn, es gelingt den Billig-Anbietern ihr Sortiment noch deutlich auszubauen. Doch dafür benötigen sie größere Flächen und da setzt die Baunutzungsverordnung Grenzen. Bisher profitierten gerade die Discounter davon, dass sie mit ihren – gemessen am vollsortierten Supermarkt – kleinen Verkaufsflächen nicht unter die Regeln von § 11,3 Baunutzungsverordnung fallen, wonach die Kommunen Läden mit mehr als 1.200 qm Geschossfläche verbieten können.

Nach Einschätzung von Accenture/GfK werden die vollsortierten Supermärkte die Nutznießer dieser Entwicklung auf dem Discountmarkt sein. Die Renaissance des Nachbarschaftsladens werde schon durch den demografischen Wandel begünstigt, sind die Marktforscher überzeugt. Diese Rechnung haben auch Deutschlands größte Lebensmitteleinzelhändler Edeka und Rewe aufgestellt, die verstärkt darauf setzen, dass für ältere Menschen vor allem die Nähe des Geschäftes zählt und in die Neugestaltung dieser Märkte investiert. Besonders Rewe setzt mit seinem Nahversorger-Konzept „City-Markt“ auf diese Schiene. So empfehlen auch Accenture/GfK bei den Handelskonzepten das Bedürfnis der älteren Menschen nach Sicherheit und Bequemlichkeit in den Mittelpunkt zu rücken.

Ob der Trend langfristig tatsächlich so eindeutig in Richtung vollsortierte Supermärkte gehen wird, die zweifellos teurer sein werden als die Discounter, dürfte aus heutiger Sicht schwer einzuschätzen sein. Ein sehr großer Unsicherheitsfaktor ist die weitere Entwicklung des Ölpreises. Schien es noch im ersten Quartal 2008 so, als würde sich die deutsche Wirtschaft von den Ölpreisen nicht wirklich beeindrucken lassen, so zeigt der Ifo-Geschäftsklima-Index Ende Juni ein anderes Bild. Der Index lag mit 101,3 Punkten deutlich unter dem Vorjahreswert von 107,0 Punkten, weil die Unternehmen laut Ifo ihre aktuelle Geschäftssituation ungünstiger als im Vormonat einschätzen und sie für das kommende Halbjahr skeptischer sind.

Das kommt auch bei den Verbrauchern an, die bei den wiederkehrenden Meldungen über neue Rekordpreise bei Benzin und Diesel den Verlust ihrer Kaufkraft fürchten. So ist auch der Gfk-Konsumklima-Index im Juni gesunken und die GfK revidiert vor dem Hintergrund der sich verfestigenden Inflationstendenzen um die Drei-Prozent-Marke ihre Prognose für den realen privaten Verbrauch 2008 von 1%, die auf einer Inflationsrate von 2,5% basierte, auf 0,5%. Auch wenn ältere Menschen zweifellos die Bequemlichkeit der Vollsortimenter bevorzugen, die Entwicklung ihrer Rente wird letztlich darüber entscheiden, ob sie sich das auch leisten können. Mit Blick auf die Tatsache, dass heute nur noch 31% der über 55-Jährigen berufstätig sind, ist zu erwarten, dass die Generation der künftigen Rentner nicht so betucht sein wird, wie die heutige.

Quelle: HIR, Nr. 25, 04.07.2008

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