Von Ruth Vierbuchen
Am 1. Januar 2009, so schätzt Karl-Erivan Haub, geschäftsführender Gesellschafter der Tengelmann-Gruppe in Mülheim a.d. Ruhr, wird der neue Verbund aus Edeka und Tengelmann, der gemeinsam die Discount-Kette Netto/Plus betreibt, endlich an den Start gehen können. Die harten Auflagen des Bundeskartellamts in Bonn, die den Prozess der Zusammenführung hinaus gezögert haben, kamen für die Vertragspartner, die bereits im Vorfeld des Deals mit dem Kartellamt Gespräche geführt hatten, völlig unerwartet.
Gravierende personelle Veränderungen in der zuständigen Abteilung der Behörde, so erläutert Haub bei der Pressekonferenz des Handelsunternehmens am Firmensitz, hätten dazu geführt, dass die Auflagen deutlich härter ausgefallen seien, als zunächst abzusehen war.
Demnach darf Tengelmann sich lediglich mit 20 und nicht, wie geplant, mit 30% an dem neuen Gemeinschaftsunternehmen beteiligen, was für die Familie Haub bedeutet, dass sie nur beraten und nicht mitbestimmen darf. Dafür hätte sie mindesten 25% gebraucht. Insgesamt 376 der rd. 2 800 Plus-Filialen muss Tengelmann nach Auflage des Kartellamts zudem an andere Wettbewerber veräußern. Dafür hat das Mülheimer Unternehmen dem Kartellamt zwei Optionen unterbreitet: Option eins sieht vor, dass mehr als 300 Filialen an die Kölner Rewe-Gruppe verkauft werden, der Rest an andere Unternehmen und ein kleiner Teil könnte geschlossen werden.
Bei Option zwei werden die Filialen an mehrere kleine deutsche Discount-Unternehmen wie etwa Norma verkauft. Damit sind die Mülheimer auf der sicheren Seite, falls das Kartellamt auch gegen den Verkauf an Rewe Einwände erheben sollte. Die Kölner gehören immerhin zu den Top 5 im deutschen Lebensmitteleinzelhandel. Die unerwarteten Auflagen haben Tengelmann, so beklagt Haub, viel Zeit gekostet und Werte seien dadurch auch vernichtet worden. Denn die lange Hängepartie habe bei Plus zu Reibungsverlusten und zu einer erheblichen Verunsicherung der Mitarbeiter geführt. Dass Tengelmann nun gezwungen ist, die genannte Zahl von Filialen abzugeben, macht außerdem die Verhandlungsposition der Mülheimer nicht besser, denn die Wettbewerber wissen, dass Tengelmann verkaufen muss.
Erfolgreich verlief dagegen bisher der Verkauf der sechs Plus-Auslands-Töchter in Spanien, Portugal, Polen, Griechenland, Tschechien und Ungarn, die überwiegend an Familienunternehmen verkauft wurden. Die Töchter in Rumänien und Bulgarien, die erst in den Anfangen stecken und deshalb für einen Verkauf zu klein waren, werden laut Haub weiter geführt, da sich das Geschäft hier Erfolg versprechend entwickelt. In Österreich kam der Verkauf nicht zustande.
Umorientieren muss sich Tengelmann-Chef Haub nach der Kartellamtsentscheidung nun auch beim Einkauf für die 691 Kaiser’s und Tengelmann-Supermärkte. Denn den Plan, den Einkauf gleichfalls über die Hamburger Edeka laufen zu lassen, hat das Bundeskartellamt auf Grund der führenden Marktstellung der Hamburger im Lebensmitteleinzelhandel bekanntlich auch verworfen. Laut Haub wird das Unternehmen nun mit dem bisherigen Einkaufspartner Markant neue Verhandlungen aufnehmen.
Derweil arbeitet die Edeka-Tochter Netto – auch im Vorgriff auf die PlusÜbernahme mit vielen kleineren, innerstädtischen Standorten – an einem Kleinflächen-Konzept für Discounter mit 600 bis 700 qm Verkaufsfläche, wie Ralf Lübbing, Geschäftsführer der Edeka-Tochter EBK, während der EXPO REAL in München berichtete. Dabei steht die Deckung des kurzfristigen Bedarfs im Vordergrund. Sortimentsteile, die nicht dazu gehören, werden aussortiert. Damit reagiert Netto laut Lübbing auf die Erkenntnis, dass die Discounter mit unterschiedlichen Größen auch mit unterschiedlichen Konzepten betrieben werden müssen.
Die beiden Netto-Testmärkte in Hannover und Regensburg laufen nach Angaben des Edeka-Managers sehr gut. Die Tengelmann-Gruppe konnte das Geschäftsjahr 2007/08, das Ende April endet, in ihren 7 426 Filialen mit einem Umsatzwachstum von 2,5% auf knapp 20 Mrd. Euro abschließen. Allerdings trug vor allem das 10%-ige Umsatzwachstum in Osteuropa zu diesem Erfolg bei. Zudem betont Haub, dass das Familienunternehmen, das Ende der 90er-Jahre durchaus auch schwere Zeiten erlebt hat, das Geschäftsjahr mit Gewinn und ohne Netto-Schulden abgeschlossen habe. Konkrete Ertragszahlen nennt das Unternehmen, das nicht publizitätspflichtig ist, traditionell nicht.
Auf Grund seiner soliden Finanzierungspolitik sieht sich der Tengelmann-Chef durchaus in der Lage, die bevorstehende Flaute gut zu überstehen. Gleichwohl rechnet er damit, dass einige schwach finanzierte Wettbewerber im Textil- und Baumarktbereich die Segel streichen müssen. Denn Haub ist überzeugt davon, dass die Finanzmarkt-Krise die Realwirtschaft sehr stark treffen wird. Für das anstehende Weihnachtsgeschäft ist er nicht optimistisch.
Gleichwohl wird das Unternehmen, das neben Plus und Kaiser’s/Tengelmann den Textil-Discounter Kik betreibt, an Deutschlands führendem Baumarkt-Betreiber Obi sowie an dem US-Lebensmittelhandelskonzern The Great Atlantic and Pacific Tea Company (A & P) beteiligt ist, die begonnenen Projekte weiter führen. Dazu gehört auch der Bau des ersten Tengelmann Klima-Supermarktes in Mülheim, der mit einer Geothermie-Anlage ausgestattet sein wird. Laut Haub werden hier 40 – 50% der Energie und des CO2-Ausstoßes gespart.
„Wir führen unser Geschäft normal weiter“,
versichert Haub, doch würden Neuinvestitionen genau geprüft.
Quelle: HIR, Nr. 33
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