B- und C-Standorte sowie die Ballungszentren außerhalb der Metropolen rücken immer stärker in den Fokus von Immobilieninvestoren. Das ist eines der Ergebnisse des 3. Expertentalks von Engel & Völkers Investment Consulting zum Thema „Boom – und kein Ende in Sicht? Wie institutionelle Anleger in der Hochpreisphase in Wohnimmobilien investieren“, der heute auf der Expo Real in München stattfand. Dabei diskutierten sieben Vertreter der Immobilienbranche die Investitionsstrategien institutioneller Anleger auf dem deutschen Wohnimmobilienmarkt. Neben den Gastgebern Felix von Saucken und Kai Wolfram, Geschäftsführende Gesellschafter der Engel & Völkers Investment Consulting GmbH, nahmen Martin Eberhardt, Geschäftsführer von Bouwfonds Investment Management Deutschland, Francesco Fedele, Vorstand der BF.direkt AG, Lars Bergmann, CEO der IMMOVATION AG, Thomas Hegel, Vorstandsvorsitzender der LEG Immobilien AG, sowie Claudia Hoyer, COO der TAG Immobilien AG, an dem Expertentalk teil.
A-Standorte für Investoren teilweise zu teuer
„Grundsätzlich können in allen Märkten noch sinnvolle Investitionen in Wohnimmobilien getätigt werden. In einzelnen Top-Standorten wie München und Berlin sind die Preise jedoch in Größenordnungen vorgedrungen, die langfristig rentable Investitionen fraglich erscheinen lassen“, kommentiert Thomas Hegel, Vorstandsvorsitzender der LEG Immobilien AG, die jüngsten Marktentwicklungen. Parallel dazu werden Standorte außerhalb der Metropolen attraktiver. „Abseits der großen Metropolen, in denen mittlerweile mit Vervielfältigern von weit über dem 20-fachen gehandelt wird, kann man auch heute noch gute Einstiegsmöglichkeiten finden“, erläutert Claudia Hoyer, COO der TAG Immobilien AG.
Das sieht auch Martin Eberhardt, Geschäftsführer von Bouwfonds IM, so: „Vor allem in sogenannten Schwarmstädten gibt es trotz der anziehenden Preise große Chancen. Denn gerade hier werden die Mieten aufgrund der hohen Nachfrage tendenziell weiter steigen.“ „Künftig werden auch C-Standorte als Investment immer interessanter werden, wenn über den Erhalt des Vermögens hinaus auch eine Rendite gewünscht wird“, ergänzt Lars Bergmann, CEO der Immovation AG. „Wir begleiten gerne Projekte an C-Standorten bei der Finanzierung, auch wenn man den Mikrostandort genau betrachten muss. Denn hier sind die Renditen in der Regel höher und stabiler“, fügt Francesco Fedele, Vorstand der BF.direkt AG, hinzu.
„Ein wichtiger Grund für das Ausweichen auf B- und C-Standorte ist – neben den zum Teil überteuerten Preisen in den Top-Standorten – auch die Tatsache, dass an den A-Standorten kaum noch attraktive Portfolien zum Kauf angeboten werden, der Investitionsdruck aber angesichts der niedrigen Zinsen und fehlender Anlagealternativen nicht nachlässt“, fasst Kai Wolfram, Geschäftsführender Gesellschafter der Engel & Völkers Investment Consulting, seine Beobachtungen am Markt zusammen. „Daher erhöhen viele institutionelle Investoren zurzeit ihren Wohnimmobilienanteil in B- und C-Standorten im Portfolio.“
Preise bis zur 25-fachen Jahresnettokaltmiete und Investitionsvolumina bis zu 100 Millionen Euro möglich
Einig waren sich die Experten, dass der anhaltende Nachfragedruck die Kaufpreise weiter befeuern wird. „Bei Bieterverfahren haben wir Vervielfältiger bis zum 25-fachen auf dem Markt erlebt“, stellt Hoyer fest. „Wir dagegen konnten unsere Ankäufe aus den vergangenen Jahren zum acht- bis 12-fachen der Jahresnettokaltmiete beurkunden.“ Bergmann erklärt: „Ich gehe davon aus, dass die Mehrheit der Investoren Summen in der Größenordnung von bis zu 100 Millionen Euro investieren wird.“ Jedoch dürfte der deutsche Immobilienmarkt die Nachfrage der Investoren nicht ausreichend decken, schränkt Bergmann ein.
Bedeutung von Spezialimmobilien wie Student Housing oder Pflegeimmobilien nimmt zu
Die Expertenrunde sieht Nischenprodukte wie Studentisches Wohnen oder Pflegeimmobilien derzeit auf dem Vormarsch. Investoren schätzen die Nischenmärkte als attraktive Anlagemöglichkeiten. „Allerdings ist die Komplexität in diesen Immobilienklassen höher, was in der Regel auch höhere Verwaltungskosten nach sich zieht. Das gilt vor allem dann, wenn diese Nutzungsarten in ein klassisches Wohnportfolio aufgenommen werden“, erläutert Hegel. „Sonderimmobilien sind aber keineswegs automatisch attraktivere Investments. Auch hier gilt, dass es wesentlich auf den Mikro-Standort ankommt. Faktoren wie die regionale demografische Entwicklung, die Infrastruktur und die Versorgung im Umfeld der Objekte spielen dabei eine große Rolle“, merkt Bergmann an.
Eberhardt sieht die Situation etwas anders: „Der Bedarf an studentischem Wohnraum wird nicht nur wegen der steigenden Studierendenzahlen weiter wachsen. Auch die Nachfrage von Singles, die zunehmend auch Mikrowohnungen nachfragen, macht sich in diesem Segment immer stärker bemerkbar. Studentenapartments weisen einen Renditespread von bis zu 150 Basispunkten gegenüber klassischen Wohnimmobilien auf und sind gut geeignet, um innerhalb der Assetklasse Wohnen zu diversifizieren. Der Verwaltungsaufwand mag größer sein als bei klassischen Wohnimmobilien, doch gilt das auch für die Renditen, – und zwar bei etwa gleicher Volatilität.“ „Die Nischen werden immer kleiner. Student Housing und Co. werden bei institutionellen Investoren immer salonfähiger. Mittlerweile stellt sich die Frage, ob man überhaupt noch von Nischenprodukten sprechen kann“, resümiert Wolfram seine Gespräche mit kaufwilligen Investoren.
Renditeerwartungen von 3,5 bis 5 Prozent an A-Standorten unrealistisch hoch
Die Experten sehen nach dem kontinuierlichen Preisanstieg der vergangenen Jahre die Grenze an den traditionellen A-Standorten wie München oder Hamburg größtenteils erreicht. „Eine Rendite in der von vielen Investoren gewünschten Größenordnung von 3,5 bis 5 Prozent ist dort zunehmend unrealistisch“, kommentiert Bergmann. „Investoren, die mit Renditen von mehr als 5 Prozent rechnen, müssen deshalb künftig an B- oder C-Standorten investieren, wenn sie ihre Renditeziele erreichen wollen.“ „Wenn die Objekte sorgfältig ausgewählt werden, muss das Ausweichen auf B- oder C-Standorte nicht zwingend mit einem erhöhten Risiko einhergehen“, ergänzt Wolfram.
Die Mieten steigen allerdings langsamer als die Wohnungspreise, sodass die Mietrenditen entsprechend nachgeben. „Immer häufiger werden in Großstädten nur noch Mietrenditen von rund 3 Prozent pro Jahr erreicht. In München sind es oft sogar nur noch 2,5 Prozent. Aber abseits der üblicherweise favorisierten Städte können Investoren durchaus noch Mietrenditen von 6 Prozent und mehr realisieren“, sagt Bergmann. „Wir erzielen nachhaltig über 3 Prozent jährliches Mietwachstum an unseren B- und C-Standorten“, berichtet Hoyer. Etwas konservativer kalkuliert Hegel: „Wie aus dem LEG-Wohnungsmarktreport NRW 2016 hervorgeht, betrug die durchschnittliche Mietsteigerung in NRW von 2014 bis 2015 rund 2,1 Prozent. Ähnliche Größenordnungen erwarten wir auch für die Zukunft. Allerdings verläuft die Entwicklung insgesamt sehr heterogen, und wir sehen eine große Spanne. Während die Mieten zum Beispiel im Kreis Düren um rund 15 Prozent gestiegen sind, gingen sie zur selben Zeit im Kreis Höxter um etwa 4,6 Prozent zurück. Der Blick auf die lokalen Details ist also unerlässlich.“
Investoren nützen günstige Finanzierungsbedingungen
Im Durchschnitt finanzieren die meisten institutionellen Investoren mit einem LTV von rund 60 Prozent, so die mehrheitliche Einschätzung der Experten. Bergmann registriert allerdings angesichts der Niedrigzinsen zunehmend auch Fremdkapitalaufnahmen im Bereich zwischen 60 und 75 Prozent des Immobilienwertes. „Neben der klassischen Bankenfinanzierung nutzen Investoren verstärkt auch Mezzanine-Kapital oder Club-Deals. Die Big Deals werden sogar nicht mehr über die Banken abgewickelt, sondern auf anderen Wegen, beispielsweise durch Versicherer, finanziert“, erläutert Fedele.
Risikobereitschaft steigt angesichts fehlender Anlagealternativen
Aufgrund der stetigen Verknappung des Immobilienangebots, der fehlenden alternativen Anlagemöglichkeiten sowie des dauerhaft niedrigen Zinsniveaus ist die Risikobereitschaft bei Investoren gestiegen. „Angesichts drohender Blasengefahr in manchen Regionen und Städten ist es für Investoren ratsam, den Markt differenzierter als bisher zu betrachten. Künftig wird es darum gehen, noch solche Objekte zu finden, die für das Investitionsziel ein angemessenes Rendite-Risiko-Verhältnis aufweisen“, kommentiert Bergmann. Fedele sieht auch auf der Bankenseite eine potenzielle Gefahr: „Die Banken gehen inzwischen aufgrund des hohen Wettbewerbsdrucks untereinander deutlich mehr Risiken ein und nehmen teilweise nicht risikoadäquate Preise bei der Vergabe von Krediten.“