Von Ruth Vierbuchen
Das Interesse an Handelsimmobilien erwachte in Deutschland mit einem Paukenschlag. Der Aufstieg der Retail Assets fiel im „klassischen Land der Büroimmobilie“ ausgerechnet mit dem Niedergang des ehemaligen Warenhaus-Primus Karstadt zusammen. Und es ist der gravierende Strukturwandel, der den Warenhaus-Markt in Deutschland stärker im Griff hält als in den Nachbarländern, der den Investoren hierzulande auch in Zukunft neue Chancen eröffnet.
Seit Arcandor-Chef Thomas Middelhoff vor drei Jahren die günstige Lage auf dem Immobilien-Markt und das große Interesse ausländischer Investoren an „unterbewerteten“ deutschen Handelsimmobilien erkannte und für sich durch den Verkauf eines insgesamt etwa 5 Mrd. Euro schweren Immobilien-Pakets nutzte, um die Schuldenlast des früheren Karstadt-Quelle-Konzerns zu mildern, bleibt das Thema Handelsimmobilien im Fokus der Investoren. Und seither haben Retail Assets ein beachtliches Gewicht am Transaktionsvolumen deutscher Investoren erreicht.
Der Einstieg der Ausländer in den deutschen Markt brachte vor allem eine Professionalisierung dieses sehr verschlossenen, intransparenten Segments mit sich. Wie Berith Kübler, Director of Fund Management Europe bei der europäischen Immobilien-Investmentgesellschaft Cordea Savills feststellt, gab es
„bis vor wenigen Jahren keine Zahlen über die Entwicklung von Handelsimmobilien. Und damit gab es auch keinen Zahlenvergleich über die Entwicklung von Handels- und Büroimmobilien“.
Dabei belegen Zahlen von Cordea Savills und IPD, dass Einzelhandelsimmobilien in den meisten Ländern den Markt outperformed hatten – also besser abgeschnitten hatten als der übrige Markt. Auch DEGI Research klassifiziert Handelsimmobilien
„als sicherste und lukrativste Investitionsmöglichkeit“.
Das hat seit geraumer Zeit auch hiesige Investoren aufhorchen lassen.
Welches Potenzial diese Asset-Klasse hierzulande noch hat, könnte sich aus dem Zahlenvergleich zwischen Deutschland und Großbritannien herleiten lassen: Während bis Ende 2007 fast 50% des Investitionsvolumens, das institutionelle Investoren in Immobilien gesteckt hatten, in Großbritannien auf Handelsimmobilien entfielen, waren es in Deutschland nach IPD-Zahlen nur 14%, wie Christian Eder, Analyst European Research bei Cordea Savills vorrechnet. Demnach besteht also noch Nachholbedarf.
Und auch der „Hahn Retail Real Estate Report 2008/2009“, der gemeinsam mit Jones Lang LaSalle (JLL) erstellt wurde, bestätigt, „das große Interesse, das der deutsche Einzelhandelsimmobilienmarkt auch künftig genießt“. Denn
„93,3% der Investoren sind der Meinung, dass die Attraktivität des deutschen Marktes im Vergleich zum europäischen Ausland überdurchschnittlich oder gleich ist.“
Dabei ist das Interesse der Ausländer, auf die auch im ersten Halbjahr 2008 mit 72% des investierten Kapitals wieder der größte Anteil entfiel, auch heute noch unvermindert. Hinzu kommt, dass die offenen Immobilienfonds, die primär an großvolumigen Objekten interessiert sind, ihr Comeback in diesem Sektor feiern. In ihrem Fokus stehen laut Hahn-Report Shopping-Center und zunehmend auch Fachmarktzentren, die ihren Anteil am kontinentaleuropäischen Transaktionsvolumen ausweiten konnten.
Doch auch wenn Handelsimmobilien bei Investoren inzwischen den Stellenwert haben, der ihnen zukommt, die Finanzmarktkrise berührt auch dieses Segment. So erwartet laut Hahn Report eine überwältige Mehrheit von 84% der befragten Investoren, dass sich die Finanzkrise auch 2009 und darüber hinaus auswirken wird: Rund 42% gaben an, dass die Finanzierungskosten im Gefolge der Subprime-Krise um bis zu 80 Basispunkte gestiegen sind, bei 28% der Investoren stiegen die Finanzierungskosten um 80 bis 100 Basispunkte. Konsequenz: Auch das einzelhandelsimmobilienbezogene Transaktionsvolumen ging laut JLL im 1. Halbjahr um 9% zurück, bei Büros waren es allerdings 77%. Wie sich die weitere Verschärfung der Krise in den USA noch auswirken wird, ist schwer abzuschätzen.
Die Kreditkrise hat zwar die Marktbedingungen verändert, doch die Menschen brauchen offenbar Zeit, bis sie sich daran gewöhnt haben. Denn die Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern haben sich laut Hahn-Report noch nicht so ganz angenähert, so dass noch keine abschließende Marktpreisbildung erreicht werden konnte.
„Dennoch lässt sich feststellen, dass die Spitzenrenditen für sämtliche Einzelhandelssegmente auch im Verlauf des Jahres 2008 weiter angestiegen sind, so dass der Preisanstieg seit Beginn des Investmentbooms wieder ausgeglichen wurde“,
heißt es im Hahn-Report. Demnach liegen die durchschnittlichen Spitzenrenditen für Einzelhandelsimmobilien im Jahresverlauf 2008 bei 5,25%. Bei Objekten in Stadtteil- oder Vorort-Lage können etwa bis zu 6,75% erreicht werden, für Fachmarktzentren wird die Bandbreite mit rd. 6,5 bis 8,5% beziffert.
Auf der Verkäuferseite überwiegen laut „Hahn Retail Real Estate Report“ mit 82% aller Transaktionen deutsche Akteure und es sind vornehmlich die Projektentwickler, die aktiv sind. Sie haben für 650 Mio. Euro Objekte verkauft. Hatten die Handelsimmobilien-Spezialisten mit Blick auf die Einführung des G-REITs 2007 gehofft, dass sich der Einzelhandel angesichts der Steuervorteile nun verstärkt von Immobilien trennen werde, um das Geld ins Kerngeschäft zu stecken, ist heute festzustellen, dass dieses Geschäft erst allmählich in Gang kommt, wie André Langman Vorstands-Chef der Erlanger GRR AG berichtet. Im Februar hatte er einige Märkte von Edeka Chiemgau übernehmen können. Doch insgesamt müssen potenzielle Käufer und Asset Manager die Einzelhändler erst noch davon überzeugen, dass die von ihnen weiter genutzten Immobilien – ihre Verkaufsmaschinen – in vertrauenswürdige Hände kommen.
Dagegen hält der Strukturwandel im Warenhaus-Markt das Geschäft voll im Gang. Das spiegelt sich auch in den Zahlen wider, die Jones Lang LaSalle für das erste Halbjahr 2008 präsentierte. Mit einem Anteil von 38% am Transaktionsvolumen entfiel der größte Teil der Investments auf Einzelhandel – vor Büros mit 33%. Und wie die JLL-Experten dabei feststellen, ist „bei den Einzelhandelsinvestments zwischen den Aktivitäten 2007 und 2008 eine Fokusverlagerung zu notieren“. Denn die Department Stores (Warenhäuser; d. Redaktion) nehmen auf Grund des Arcandor-Deals mit 55% den größten Anteil am Gesamtvolumen ein. Im Frühjahr hatte Arcandor-Chef Middelhoff seine 49%-Beteiligung am Highstreet Fund, der die Karstadt-Immobilien hält, an das Konsortium aus DB Rreef, Pirelli Ré, Borletti Group und Generali Real Estate Fund verkauft – und dafür Mietsteigerungen für Karstadt in Kauf genommen. Damit sind die Karstadt-Immobilien komplett in den Händen von Investoren.
Welche langfristigen Ziele diese mit ihrem Investment verfolgen, abgesehen von kurzfristigen Mietsteigerungen, ist aus heutiger Sicht schwer einzuschätzen. Doch dürfte dieses Thema in engem Zusammenhang stehen mit der Frage, welche Chance die Vertriebsform Warenhaus im deutschen Markt insgesamt noch hat. Dabei hat insbesondere das hochwertige Premium-Segment, die besten Chancen. Diese großflächigen Weltstadt-Häuser, die in den Top-Lagen der zehn größten Städte Deutschlands angesiedelt sind, haben unter dem Strukturwandel nicht gelitten. Als Cash-Cows, die es auf Umsätze in dreistelliger Millionen-Höhe und überdurchschnittliche qm-Umsätze bringen, werden sie auch künftig eine Chance haben.
Das Angebot ist sehr hoch angesiedelt und sie schaffen es inzwischen sogar, wirklich hochpreisige Bekleidungsmarken wie Escada für ihre Geschäftsräume zu gewinnen. Doch die Edel-Mode-Labels betreiben die Flächen als Konzessionäre, d.h. sie betreiben die Shops und den Verkauf in eigener Regie, um Top-Präsentation und Top-Service sicher zu stellen. Damit wurde in den Premium-Häusern eines der Probleme des Warenhaus-Segments gelöst, nämlich namhafte und zugkräftige Marken zu gewinnen. Das Marketing dieser Häuser ist sehr anspruchsvoll. Gleiches gilt natürlich für die Architektur und die Ladengestaltung.
Zu diesem Segment gehören das KaDeWe in Berlin, das Alsterhaus in Hamburg, das Frankfurter Karstadt-Haus an der Zeil, Oberpollinger und das Karstadt-Haus am Bahnhof in München sowie die Galeria Kaufhof in Köln, Hohe Straße, und in Berlin am Alexander-Platz. Durch ihre großräumige Architektur und ihr gutes Angebot können diese Warenhäuer durchaus mit anderen Fachgeschäften und auch mit Shopping-Centern konkurrieren.
Doch die Gruppe der Auserwählten ist nicht groß und selbst in den Top-Städten, die als Standorte für das Karstadt- und Kaufhof-Premium-Segment in Frage kommen, hat vor allem das renommierteste Haus am Top-Standort die besten Chancen. Bleibt die Frage, was geschieht mit den Warenhäusern, die nicht zum Premium-Segment gehören. Und das ist nun zweifellos das Gros des etwa 200 Filialen umfassenden Netzes aus Karstadt- und Kaufhof-Filialen, zumal man die insolvente Hertie GmbH mit ihren 72 Filialen mit hinein rechnen muss.
Das Spektrum der Flächenproduktivität liegt hier nach Erkenntnis von Marktexperten zwischen 600 Euro und mehr als 5 000 Euro je qm jährlich, wobei rentable Häuser in der Regel mehr als 2 000 Euro je qm erzielen. Daraus wird deutlich, dass so manches Haus nicht in den schwarzen Zahlen operieren dürfte.
Bei ihrer Strategie haben die Warenhaus-Konzerne, die bis in die 1970er-Jahre mit Erfolg auf Preiswürdigkeit setzten, im Wettstreit mit den kostengünstigeren Fachmärkten und Spezialisten seit den 1980er-Jahren kontinuierlich an Boden verloren. Doch den konsequenten Weg des Trading-ups haben sie – wenn man von den Premium-Häusern absieht – nicht immer beschritten. Angesichts der hohen Fixkosten bleibt aber nur der Weg, sich auf margenstarke Sortimente zu verlegen. Das heißt auch in den Häusern unterhalb des Premium-Segments gilt es, sich auf gängige Marken des mittleren Genres und vor allem eine ansprechende Ladengestaltung und Warenpräsentation zu konzentrieren. Dazu gehört aber auch genügend Personal. Gerade in diesen Punkt müssten die Warenhäuser nachlegen.
Karstadt hat in seinen Neubauten am Limbecker Platz in Essen und in der Duisburger Königsstraße zwei ansprechende Konzepte in der Kategorie „Boulevard“ mit vielen übersichtlichen Markenshops umgesetzt. Das Essener Unternehmen leidet allerdings darunter, dass das Mitte der 1990er-Jahre entwickelte vielversprechende Warenhaus-Konzept nach der Fusion mit Quelle und insbesondere in der Ära von Wolfgang Urban nicht konsequent fortgeführt wurde. Dadurch ist das Unternehmen in punkto Profilierung ins Hintertreffen geraten. Was zweifellos auch heute noch dazu beiträgt, dass die Geschäftsentwicklung im Warenhaus noch immer recht instabil verläuft.
Die dritte Gruppe der Warenhäuser, die unwirtschaftlichen Standorte in guten 1A oder 1B-Lagen dürften auf mittlere Sicht zum interessanten Betätigungsfeld von Projektentwicklern werden. Bereits in der Vergangenheit sind eine ganze Reihe von Hertie-Filialen z.B. in Braunschweig, Köln, Bonn-Bad-Godesberg oder Castrop-Raxel in Shopping-Center oder City-Points mit gemischter Nutzung umgebaut worden. Unternehmen wie die Hamburger ECE oder die Redos Real Estate sowie Brune Consulting aus Düsseldorf warten schon auf die günstige Gelegenheit, gute Objekte zu erwerben. Denn innerstädtische Shopping-Center sind Mangelware und stehen bei Investoren hoch im Kurs.
Die Kurzfrist-Strategie der Investoren jedoch, über Mieterhöhungen schnelle Ertragssteigerungen zu erzielen, kann sich im fragilen Warenhaus-Markt als sehr gefährlich erweisen, wie der Fall Hertie zeigt. Auch hier hatte der Eigentümer Dawnay Day die Mieten erhöht. Doch nachdem Hertie Insolvenz angemeldet hat, kann der Verwalter die Mietverträge kündigen und neu verhandeln. Und dass der Insolvenzfall in diesem Marktsegment schneller eintreten kann, als erwartet, zeigen die Beispiele Hertie, Sinn-Leffers und Wehmeyer sehr deutlich.
Quelle: DIB, Nr. 176
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