Von Ruth Vierbuchen
Die Sanierung von Karstadt gerät immer mehr zum Wettlauf gegen die Zeit – und offenbar zum harten Ringen hinter den Kulissen. Dabei ist der quirlige Chef des Arcandor-Konzerns, Thomas Middelhoff, immer wieder für eine Überraschung gut: Als es Mitte September noch den Anschein hatte, als ob die Verhandlungen mit der Dresdner Bank, der Bayern LB und der Royal Bank of Scotland um die Aufstockung und die Verlängerung der Kreditlinie zur Finanzierung des wichtigen Weihnachtsgeschäfts bei Karstadt nur um den Preis abgeschlossen werden konnten, dass er einen Teil der Thomas Cook-Beteiligung als Sicherheit an die Banken abtritt, präsentierte er kurze Zeit später als Antwort einen neuen Aktionär.
Zuvor war die Arcandor-Aktie auf beängstigende 1,83 Euro abgestürzt, weil eine deutliche Verminderung der 52%-igen Thomas-Cook-Beteiligung, die 60% des Konzernumsatzes bestreitet und den größten Teil des Gewinns beisteuert, bedeutet hätte, dass Arcandor die Reise-Tochter nicht mehr hätte konsolidieren können. Geblieben wäre dann ein Handelskonzern mit den beiden ertragsschwachen Töchtern Karstadt und Primondo (u.a. Quelle) – ein Handelskonzern an der Grenze zur Verlustzone. Und just von da kommt der ehemalige Karstadt-Quelle-Konzern, der im September 2004 in
die Verlustzone gerutscht war und seither um seine Sanierung kämpft.
Doch stattdessen präsentierte Arcandor am 29. September mit der Kölner Privatbank Sal. Oppenheim jr. & Cie KG aA einen neuen Aktionär, der die Erhöhung des Grundkapitals um 23 Mio. Stückaktien im Wert von etwa 58,9 Mio. Euro auf rd. 648 Mio. Euro bar finanziert. Diese Wendung zeigt, wie entschlossen Middelhoff und Großaktionärin Madeleine Schickedanz darum kämpfen, den ehemaligen Karstadt-Quelle-Konzern vor dem Absturz zu retten. Die Verbindung zwischen Schickedanz und der Bank Sal. Oppenheim ist seit langem bekannt. Mit Sal. Oppenheim wurde offenbar auch ein beständiger Großaktionär gefunden.
Denn wie die FAZ berichtet, will das Bankhaus seine Beteiligung an Arcandor im nächsten Schritt noch aufstocken. Weitere 19,5% der Anteile wolle die Privatbank der Großaktionärin Madeleine Schickedanz, die aktuell 53% des Kapitals hält, noch abkaufen. Damit käme die Bank auf 29,5% und dokumentiert damit die Bereitschaft, dem Touristik- und Handelskonzern bei der weiteren Sanierung als beständiger Partner zur Seite zu stehen. Nach dem wenig rühmlichen Abgang bei Bertelsmann ist Middelhoff ganz offensichtlich sehr entschlossen, eine zweite Niederlage mit allen Mitteln zu verhindern. Und die wäre sehr herb, wenn die Sanierung von Karstadt-Quelle resp. Arcandor misslingen würde. Aber auch Madeleine Schickedanz setzt als Familienunternehmerin offenbar alles daran, den Namen ihrer Eltern Gustav und Grete Schickedanz, der für Quelle und den Nachkriegswohlstand der breiten Masse steht, nicht durch die Pleite des Familienunternehmens in Misskredit zu bringen.
Doch auch wenn mit der Privatbank Sal. Oppenheim jetzt ein starker Partner gefunden wurde und erst einmal Ruhe einkehren wird, von langer Dauer wird die Verschnaufpause nicht sein. Als nächstes gilt es für Karstadt ein gutes Weihnachtsgeschäft 2008 hinzulegen und die Ertragszahlen deutlich zu verbessern. Auf minus 51 Mio. Euro war das Ebitda im 3. Quartal des Geschäftsjahres 2007/08 abgesackt, der Wert des 4. Quartals liegt noch nicht vor. Nun steht zu hoffen, dass Karstadt im Rahmen des Weihnachtsgeschäfts einen guten Start ins Geschäftsjahr 2008/09 erwischt.
Das wird – nach einem schlechten Weihnachtsgeschäft 2007 – der nächste wichtige Meilenstein für den Warenhaus-Konzern sein. Im Rumpfgeschäftsjahr 2007, in dem das wichtige Weihnachtsgeschäft jedoch fehlte, weil es am 30. September nach neun Monaten endete, hatte Karstadt ein Ebitda von -34 Mio. Euro verbucht, die Versandtochter Primondo mit Quelle als wichtigstem Bereich von -72,9 Mio. Euro. Dass es Thomas Middelhoff, der 2005 den Vorstandsvorsitz beim damaligen Karstadt-Quelle übernahm, im Zuge einer ausgefeilten Strategie des Financial Engineerings gelingen würde, den angeschlagenen Handels- und Touristik-Konzern zunächst wieder auf die Schiene zu setzen, daran hatten Branchen-Insider keinen Zweifel. Geschickt nutzte er den Immobilien-Boom aus, um durch den Verkauf des Tafelsilbers und diverser
Tochtergesellschaften die Entschuldung des Unternehmens voranzubringen.
Auch die komplette Übernahme von Thomas Cook gelang ihm, und die Akquise des britischen Reiseveranstalters „My Travel“, der in der Verbindung mit Thomas Cook heute die lukrativste Sparte des Arcandor-Konzerns bildet, schaffte er mit Erfolg. Damit stehen zweifellos beachtliche Erfolge zu Buche, die Karstadt-Quelle zunächst einmal vor dem „Aus“ gerettet haben. Doch alles ist nichts, ohne die substanzielle Sanierung des operativen Warenhaus und Versandgeschäfts. Handelsunternehmen leben nun einmal – so trivial das klingt – vom erfolgreichen Verkauf ihrer Ware. Zwar hatte Karstadt unter Wolfgang Urbans Ägide bei der Fortentwicklung eines tragfähigen Konzepts schon entscheidende Jahre verloren, doch haben Branchenkenner gerade bei der harten Sanierung des operativen Warengeschäfts auch die Achillesferse des Branchenfremden Middelhoff gesehen. Sein Vorgänger Christoph Achenbach hatte vor allem für den Versandbereich bereits ein Sanierungskonzept ausgearbeitet, bevor er abgelöst wurde. Ihm war zum Verhängnis geworden, dass er die Großaktionärin Madeleine Schickedanz nicht häufig genug direkt über seine Pläne informierte.
Die neuen Warenhaus-Konzepte, die Karstadt beispielsweise in Duisburg und Essen präsentierte sind recht ansprechend, doch zieht sich die Umsetzung nun schon seit Jahren hin. Und ob mit Stefan W. Herzberg, der schon beim Kaufhof nicht reüssierte, der richtige Mann am Karstadt-Ruder sitzt, ist die Frage. Fraglich ist auch, ob die Kooperation mit einem internationalen Kooperationspartner, die Middelhoff anstrebt, wirklich die Lösung des Warenhaus-Problems bringen kann. Klar ist aber, dass die Sanierung des operativen Geschäfts bei Karstadt und Quelle der sicherste Weg ist, den Konzern zu stabilisieren. Und dafür sind erfahrene Handelsmanager nötig.
Quelle: HIR, Nr. 32
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