Konsumenten immer für eine Überraschung gut

Von Ruth Vierbuchen

Den Konsumenten versteht ja schon seit langem niemand mehr. Und angesichts der weltweiten Finanzkrise zeigt sich erneut, dass er immer für eine Überraschung gut ist. Zu Beginn des Jahres 2008 deutete noch vieles darauf hin, dass die Bundesbürger angesichts steigender Einkommen endlich mehr Geld im Einzelhandel ausgeben würden. Stattdessen legten sie das Geld auf die hohe Kante und mit den explodierenden Ölpreisen ging die Kauflaune auf Talfahrt. Seit die Finanzmarktkrise Ende September eskaliert ist, zeigt der Konsumklimaindex der Gfk erstaunliche Stabilisierungstendenzen.

Im November erhöhte sich der Wert von 1,8 auf 1,9 Punkte und für Dezember erwartet die GfK einen Anstieg auf 2,2 Punkte. Zudem geht sie davon aus, dass die Sparneigung sinken wird. Entsprechend zeigte auch die Umfrage des Handelsverbandes HDE, dass es im Oktober und November keinen Umsatzeinbruch gab. Laut Statistischem Bundesamt stiegen die Erlöse im Oktober nominal um 0,9%. Und so hofft der HDE, dass das Weihnachtsgeschäft noch nicht verloren ist.

Für die Monate November/Dezember, die durch das Weihnachtsgeschäft geprägt sind, prognostiziert der HDE den wagemutigen Umsatzwert von 74,7 Mrd. Euro. Das ist seit 1998 der dritthöchste Wert hinter den Spitzenjahren 2006 mit 75,6 Mrd. Euro und 2001 mit 74,8 Mrd. Euro.

Diese paradox scheinende Entwicklung belegt, dass die Furcht der Bundesbürger vor explodierenden Energie- und Lebensmittelpreisen in den Sommermonaten offenbar größer war, als die gegenwärtige Angst vor der Rezession. Phasenweise hatte es im Sommer durchaus den Anschein, als würden die Öl- und Rohstoff-Preise – angetrieben von der weltweiten Nachfrage und vor allem von der Spekulation – unkontrollierbare Ausmaße annehmen. Nun bescheren die drastischen Preissenkungen bei Öl und Benzin Verbrauchern und Unternehmen nach Schätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Einsparungen von etwa 10 Mrd. Euro und die Inflationsrate sackte im November auf 1,4%.

Zwar sind die Konjunkturerwartungen der Bundesbürger ausgesprochen pessimistisch, doch ist die Erleichterung über die gestiegene Kaufkraft so groß, dass sie vorerst die Furcht vor der Krise überkompensiert und die Kauflaune belebt – solange der Arbeitsplatzabbau beim Einzelnen noch nicht angekommen ist.

Deshalb wäre die Stärkung der Kaufkraft durch Steuersenkungen – sei es durch Beseitigung der kalten Progression oder Abschaffung des Solidaritätszuschlags – für die unteren und mittleren Einkommen eines der sinnvollsten Konjunkturprogramme, da der private Konsum fast 60% des BIP ausmacht. Und wenn die Steuersenkung deutlich genug ausfällt, dürfte sie den Kauf von Autos jedenfalls stärker ankurbeln als der geplante Wegfall der Kfz-Steuer beim Kauf eines Neuwagens. Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel Steuersenkungen erst für die nächste Legislaturperiode plant, zeugt wohl eher von ihrem parteipolitischem Kalkül als von der Sorge um die deutsche Wirtschaft.

Quelle: HIR, Nr. 36

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*