Von Ruth Vierbuchen
In der deutschen Wirtschaft macht sich Herbststimmung breit. Zum ersten Mal seit knapp vier Jahren – genau genommen seit dem vierten Quartal 2004 – ist die deutsche Wirtschaft wieder geschrumpft. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist nach Mitteilung des Statistischen Bundesamtes im zweiten Quartal preis-, saison- und kalenderbereinigt um 0,5% gegenüber Vorquartal gesunken. Im ersten Quartal war die Wirtschaft – für viele überraschend – noch um 1,3% gewachsen.
Doch schon seit geraumer Zeit hatten die Konjunktur-Auguren befürchtet, dass dem deutschen Aufschwung die Luft ausgehen könnte. Zumal die Bankenkrise in den USA, der Abschwung der amerikanischen Wirtschaft und die steigenden Rohstoffpreise die Weltwirtschaft belasten – was sich letztlich auch auf Deutschland auswirkt. So zeigt auch der sinkende Ifo-Geschäftsklima-Index seit Juni, dass die deutschen Unternehmen mit der aktuellen Geschäftslage weniger zufrieden sind und die Entwicklung im nächsten Halbjahr wesentlich zurückhaltender beurteilen.
Es sind vor allem die geringeren Anlageinvestitionen – insbesondere die deutlich gesunkenen Bauinvestitionen – sowie die rückläufigen Konsumausgaben der privaten Haushalte, die nach Angaben des Statistischen Bundesamtes dazu geführt haben, dass der konjunkturelle Aufschwung hierzulande allmählich zu Ende geht. Für den deutschen Einzelhandel heißt das schlicht, dass der Konjunkturaufschwung zu Ende geht, bevor er überhaupt begonnen hat. Noch im Herbst 2007 und auch im Frühjahr hatte der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) für 2008 fest auf die Wende zum Besseren gehofft und geglaubt, dass die Branche das Jahr mit einem Plus von nominal 2% und real zumindest noch 0,5% abschließen könnte. Die günstige Umsatzentwicklung zu Jahresbeginn schürte bei einem Teil der Einzelhändler noch die Hoffnung, dass sie ihre Erlöse in diesem Jahr steigern könnten. Doch hatte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth schon im Frühjahr vorsorglich gewarnt, dass mit diesem Wachstum nur gerechnet werden könne, wenn sich die Preissteigerungen für Energie, Rohstoffe und Transporte in Grenzen halten würden.
Das haben sie nicht getan. Im Juli lag die Preissteigerungsrate nach vorläufigen Schätzungen des Statistischen Bundesamtes bei etwa 3,3% und der HDE hat seine Prognose im Sommer gesenkt: auf nominal plus 1,5% und real minus 1%. Seit die steigenden Energie- und Lebensmittelkosten die Einkommenssteigerungen und Kaufkraftzuwächse der Bundesbürger aufzehren, spiegelt sich die große Furcht der Konsumenten vor Kaufkraftverlust und Konjunktur-Abschwung in einer stetigen Verschlechterung des Konsumklima-Indexes – und damit in einer Abkühlung der Konsumstimmung – wieder. Die GfK erwartet, dass der Index im September auf 1,5 Punkte sinken wird. Das wäre der schlechteste Wert seit Sommer 2003.
Ihre Prognose für den privaten Konsum hat die GfK zudem von real 1% auf 0,5% gesenkt. Meldungen über den drastischen Personalabbau bei Siemens und die Schließung von Call-Centern bei der Telekom – auch wenn kein Arbeitsplatzabbau geplant ist – sorgen für weitere Verunsicherung.
Von Januar bis Ende Juni hat der deutsche Einzelhandel nach vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes bisher nominal zwar 1,8% mehr umgesetzt als im Vorjahreszeitraum, real war das aber ein Umsatzrückgang von 0,8%. Im Juni allein lagen die Erlöse nominal 1,2% und real sogar 3,9% unter Vorjahresniveau. Bei Textilien, Bekleidung und Schuhen ging der Umsatz nominal um 1,8 und real um 1,7% zurück. Dass sich die Kaufstimmung der Bundesbürger seit Monaten weiter eintrübt, lässt befürchten, dass die Einzelhandelsumsätze im Jahresverlauf weiter sinken.
Zwar hat der DIHK davor gewarnt, die Tatsache, dass die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal um 0,5% geschrumpft ist, über zu bewerten. Immerhin wuchs das BIP gegenüber dem zweiten Quartal 2007 laut Statistischem Bundesamt kalenderbereinigt noch um 1,7%. Doch die rückläufigen Konsumausgaben der Bundesbürger zeigen, dass der private Konsum, der fast 60% des BIP ausmacht, als wichtige Konjunkturstütze ausfällt.
Neben den steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen trägt auch der Staat dazu bei, dass die Konsumkonjunktur abgewürgt wird. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer 2007 entzieht dauerhaft Kaufkraft. Und wie HDE-Hauptgeschäftsführer Genth anmerkt, belastet der Staat die Bundesbürger durch die Steigerung der Beitragsbemessungsgrenzen, der Krankenversicherungsbeiträge und die kalte Progression, die bewirkt, dass Einkommenssteigerungen in Höhe des Inflationsausgleichs bei den Betroffenen zu höheren Steuern führen, weil die Bemessungsgrenze nicht an die Inflationsrate angepasst wird. Insofern könnte der Staat einen wesentlichen Beitrag zur Unterstützung der deutschen Konjunktur leisten, indem er längst überfällige Reformen anschiebt, um die Abgabenlast der Bundesbürger zu senken.
Quelle: HIR, Nr. 29, 29.08.2008
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