Melbourne – In Australien gelten andere Maßstäbe

Von Olaf Petersen, GfK GeoMarketing GmbH

Relativ unbemerkt vom fernen Europa hat sich der fünfte Kontinent im Gefolge des Booms der südostasiatischen Schwellenländer in den vergangenen Jahren wirtschaftlich überaus positiv entwickelt. Profitiert haben von dieser Entwicklung nicht zuletzt die rd. 20 Mio. Einwohner und der australische Einzelhandel. Dieser positive Trend lässt sich insbesondere in den großen Städten ablesen, wobei Sydney als Nr. 1 und Melbourne als Nr. 2 schon allein größenmäßig weit herausragen.

Melbourne liegt auf dem australischen Festland „downunder“ im Südosten und hat in der gesamten Metropolregion rd. 3,6 Mio. Einwohner. Vor dem Hintergrund einer -mit Blick auf die internationalen Transportwege – strategisch günstigen Lage am tasmanischen Meer – Wasserstraße zwischen Süd-Pazifik und Indischer Ozean – sowie seines in der geschützten Port Philipp Bay gelegenen Hafens ist die Stadt ein wichtiger Eckpfeiler der australischen Wirtschaft; so ist hier u.a. der größte und belebteste (Container-) Hafen des Landes angesiedelt. Sie gilt ferner als Kulturhauptstadt und Sportmetropole (Australian Open, Formel 1) des Kontinents.

Mit Blick auf die Strukturdaten ist positiv hervorzuheben, dass Melbourne über eine stark wachsende Bevölkerung (knapp 7 % in den vergangenen fünf Jahren), niedrige Arbeitslosigkeit (unter 5 %) sowie eine im australischen Kontext merklich überdurchschnittliche Kaufkraft verfügt.

Melbourne weist eine Siedlungsstruktur auf, die an amerikanische Metropolen erinnert, mit einer hoch verdichteten City (Stichwort: Wolkenkratzer-Skyline) und ausgesprochen weitläufigen Wohnquartieren. Das ist Ausdruck eines ausgeprägten Suburbanisierungsprozesses mit einer Maximalausdehnung von rd. 40 km in Nord-Süd- wie auch Ost-West-Richtung. Dieser Stadtraum wird via Pkw, aber auch über den ÖPNV (sogar mit Straßenbahn) ausgesprochen gut erschlossen.

Korrespondierend dazu stellt sich auch die Einzelhandelslandschaft dar. Wichtigster und praktisch einziger auf die gesamte Stadt und noch darüber hinaus ausstrahlender Standort ist die nördlich des Yarra River innerhalb des Straßengevierts Latrobe, Spring Street, Flinders Street und Spencer Street gelegene Innenstadt. Die Hauptlagen sind in diesem Kontext im Bereich Bourke Street, Elizabeth Street und Swanson Street lokalisiert. Hier sind einige großflächige Warenhäusern wie Myer und David Jones, aber in erster Linie mittel- bis kleinflächige Läden ansässig.

Als leistungs- und frequenzstarkes Center agiert in diesem Bereich das von GPT betriebene Einkaufszentrum Melbourne Central. Darüber hinaus erstrecken sich eine ganze Reihe von Arkaden und geschlossene Passagen mit kleinteiligen Einzelhandelsstrukturen in Nord-Süd-Richtung im Innenstadtraum. Als Niveaulage mit High Fashion-Labels fungiert die Collins Street.

Weiter prägend für die Einzelhandelsstrukturen sind darüber hinaus eine Vielzahl von über den gesamten Metropolraum verteilten Shopping-Centern, verkehrsorientierte Fachmarktstandorte sowie kleine Quartiersversorgungen.

Fünf Center weisen dabei mehr als 100 000 qm GLA (Bruttomietfläche) sowie jeweils mehr als 300 bis knapp 500 Läden auf. Von diesen Schwergewichten betreibt die Westfield-Gruppe zwei Center im Süden (Fountain Gate und Southland), das Highpoint im Westen läuft unter der Flagge von GPT und das Knox City im Osten unter AMP Capital. Das relativ zentral gelegene sowie auch von der Innenarchitektur her beeindruckende Chadstone Center (Eigentum von CFS Retail Property Trust) macht einen Umsatz von über 1 Mrd. australische Dollar (knapp 600 Mio. Euro) und soll damit das umsatzstärkste Einkaufszentrum in ganz Australien sein.

Hinsichtlich der Besatzstruktur ist darauf hinzuweisen, dass bei Centern dieser Größenordnung eine ausschließliche Positionierung auf ein bestimmtes Angebotsgenre nicht mehr möglich ist und insofern ein relativ breites Mieterklientel von Discount bis gehoben oder gar sehr hochwertig gebunden ist, wobei aber nicht zuletzt auch durch das Marketing eine Fokussierung erfolgt.

Als klassische Ankermieter fungieren die o.g. Warenhäuser Myer und David Jones, die amerikanischen Discount-Ketten Target und Kmart sowie die Verbrauchermarktketten Coles und Safeway, die durch weitere fach- oder discountbezogene Fachanbieter sowie zahllose kleinere Ladengeschäfte ergänzt werden. Wenn auch der europäische Einfluss in den letzten Jahren merklich zugenommen hat, so ist bezogen auf das Mieterklientel festzustellen, dass europäische Mieter heute noch eine geringe Rolle spielen (abgesehen von High Fashion sowie u.a. Esprit, im LM-Discountsektor nun auch Aldi) und der Mieter-Mix eindeutig von einheimischen sowie auch teilweise amerikanischen Labels geprägt wird.

Sicherlich eine bedeutende – und zumindest im Vergleich zu Deutschland – erheblich größere Rolle spielen die Center-Foodcourts bzw. das gastronomische Angebot, das gerade auch in mittelgroßen und nahversorgungsorientierten Centern bereits recht ausgeprägt ist.

Bei den Öffnungszeiten „ticken die Einkaufszentren anders“ als in Europa. So werden in der Regel die Center montags bis mittwochs zwischen 17.00 und 18.00 Uhr geschlossen, während donnerstags und freitags bis 21.00 Uhr geöffnet ist. Am Samstag wie Sonntag ist jeweils bis ca. 17.00 Uhr „Shopping-Time“. Die Verbrauchermärkte haben auch in den Centern – teilweise mit eigenen Eingängen – deutlich länger auf.

Im Melbourner Einzelhandel haben Shopping-Center mangels ausgeprägter gewachsener dezentraler Quartiers-/Nahversorgungsstrukturen eine deutlich höhere Bedeutung als hierzulande, wobei bei den bestehenden Einkaufszentren jede Menge Refurbishments, Optimierungen und auch Erweiterungen „in der Pipeline“ sind. Aber auch für neue Shopping-Center scheint die Story in Melbourne noch keineswegs zu Ende geschrieben zu sein. So entsteht z.B. in den Melbourner Docklands, die – nachdem die ursprüngliche Hafennutzungen aufgegeben worden sind – heute noch primär von hochwertigem Wohnen am Wasser, Büros und Gastronomie geprägt sind, unter Mitwirkung der ING gegenwärtig die sogenannte Waterfront City. Dabei wirkt das aktuell geplante Retail-Flächenprogramm mit rd. 40 000q m im Melbourner Maßstab noch relativ „überschaubar“.

Quelle: HIR, Nr. 30, 12.09.2008

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