Neue Einzelhandels-Vertriebsnetze treiben die Nachfrage nach Logistikflächen in Europa massiv an

Der europäische Einzelhandel wird in den nächsten fünf Jahren bis zu 25 Mio. m² zusätzliche Logistikflächen benötigen: Rund drei Mio. m² Spezialflächen für E-Fulfillment-Zentren, für Unternehmen also, die ausschließlich mit Online-Handel befasst sind sowie weitere 22 Mio. m² für den darüber hinausgehenden Lagernachschub des Einzelhandels. Die Nachfrage wird dabei von der Notwendigkeit getrieben, sowohl den stationären Einzelhandel zu bedienen als auch den zunehmenden Online-Handel mit seinen veränderten Vertriebswegen. „Wenn sich der Online-Umsatz in der ersten Hälfte dieser Dekade fast verdoppeln wird, wie aus gängigen Marktstudien hervorgeht, und damit europaweit 10 % aller Einzelhandelsumsätze betragen würde, hat diese Entwicklung Auswirkungen auf den Bedarf von Flächen“, so Alexandra Tornow, Associate Director, EMEA Logistics & Industrial Research bei Jones Lang LaSalle. „Logistikzentren mit über 100.000 m² auf der grünen Wiese, spezialisierte Paketvertriebs-Zentren und kleinere, lokale Auslieferungs-Depots in der Nähe oder innerhalb größerer Städte, u.a. dort sogenannte „Dark Stores“ zur Abwicklung von Online-Bestellungen im Lebensmittelhandel sind notwendig, um den Anforderungen durch den Online-Handel gerecht werden zu können.“

Dies ist u.a. das Ergebnis eines neuen Reports von Jones Lang LaSalle „A new logistics real estate landscape – the impact of multi-channel retail on logistics“.

Der Einzelhandel folgt insgesamt also dem veränderten Kaufverhalten, geht zunehmend zu einem voll-integrierten „Omni-Channel-Angebot“ über: Der Kunde geht in den Laden, shoppt online oder mit dem Mobiltelefon, bekommt seine Ware entweder nach Hause geliefert, holt sie im Geschäft oder bei speziellen Auslieferungszentren ab. Der multidisziplinären Lieferkette kommt dabei die entscheidende Rolle als Garant der Kundenzufriedenzeit zu. Im Mittelpunkt steht dabei die Notwendigkeit neuer Flächen, die in den nächsten Jahren von Retailern und Logistikern in diesem Zusammenhang nachgefragt werden.
„Während der traditionelle Einzelhandel die Nachfrage immer noch antreibt, hat das Wachstum des Online-Handels eine fundamentale Veränderung der Größe, der Gestalt und Lage der Logistikzentren zur Folge. Viele Einzelhändler müssen ihre Lieferkette an das neue Konsumverhalten anpassen. Ihre diesbezügliche Strategie wird abhängig sein von der Art der angebotenen Produkte, ihres Internet-Umsatzvolumens und der Geschwindigkeit, in der dieses wächst“, so Rainer Koepke, Leiter Industrie Immobilien Jones Lang LaSalle Deutschland.

Deutlich wird die Veränderung der Nachfrage im direkten Vergleich der Wachstumsraten beim Logistikflächen-Umsatz der Einzelhandelsbranche und dem vom puren Online-Handel getriebenen Flächenumsatz. Blieb der Anteil der Retailbranche am gesamten Logistikflächenumsatz in den letzten Jahren (2009-2012) stabil bei rund einem Drittel, entsprechend 16,5 Mio. m², so hat sich der Anteil der reinen Online-Logistiknachfrage von 2 % auf 7 % im gleichen Zeitraum erhöht und bewegte sich damit insgesamt bei 2,7 Mio. m².

Angeführt wird der Logistikflächen-Umsatz der Retailbranche von Deutschland. Rund fünf Mio. m² waren es zwischen 2009 und 2012 – nicht zuletzt dank der enormen Flächenabnahme einiger Online-Händler. So sicherte sich beispielsweise Amazon 2011 allein mehr als 400.000 m² Neubauflächen. Zalandos Logistikcenter in Erfurt hat 128.000 m². „Insgesamt über 50% des gesamten europäischen E-Commerce-Logistikflächen-Umsatzes der letzten vier Jahre fand in Deutschland statt, das waren mehr als 1,4 Mio. m² Fläche“, so Rainer Koepke. Megacenter hätten dabei europaweit eine immer größere Bedeutung. Es sind maßgeschneiderte Anlagen, die ein großes Grundstück und guten Zugang zu einem großen Angebot an Arbeitskräften benötigen. In solchen Megacentern kämen neben dem hohen Personaleinsatz verstärkt auch Roboter zum Einsatz, die die Effizienz der Kommissionierung in Einzelfällen deutlich steigern könnten. So berichtet beispielsweise Net-A-Porter, ein hochwertiger Online-Modehändler, die Entnahmerate in seinem Londoner Fulfilment-Zentrum um rund 500% gesteigert zu haben. Auch die Übernahme des Roboter-Produzenten Kiva Systemes durch Amazon im letzten Jahr unterstreicht die Bedeutung von Robotern im Online-Vertrieb.

„Deutschland – gemessen am Bestand der Logistikflächen von rund 50 Mio. m² und einem durchschnittlichen Umsatz von 3,8 Mio. m² zwischen 2009-2012 – führend in Europa, ist heute nach Großbritannien auch der am weitesten entwickelte europäische Online-Markt“, so Alexandra Tornow. Es verwundere also nicht, dass gerade Deutschland den Wandel der Logistikflächen-Nachfrage eingeläutet habe. Auch für die nächsten Jahre sehe man ein starkes Nachfragevolumen vor allem in diesen beiden Ländern. „Für Deutschland erwarten wir in den nächsten fünf Jahren einen Flächenumsatz durch Handelsunternehmen von rund 6 Mio. m², wobei ein Viertel davon auf Lagerflächen für E-Commerce-Unternehmen entfallen könnte“, so Rainer Koepke. Auf deutlich niedrigerem absoluten Niveau spielt sich die Anmietung von Logistikflächen durch wachsenden E-Commerce-Handel in anderen europäischen Märkten ab. Allerdings hat auch dort in den letzten Jahren der Anteil am Flächenumsatz durch E-Commerce deutlich zugelegt, in Frankreich etwa von 2% in 2009 (rund 30.000 m²) auf 11% (über 140.000 m²) 2012. In Italien wurden die ersten, ausschließlich dem E-Commerce-Handel zuzuschreibenden Flächenanmietungen erst 2011 verzeichnet. Nach 2%, entsprechend rund 20.000 m², lagen sie 2012 bereits bei 12% (knapp unter 100.000 m²). Noch rasanter verlief die Entwicklung in Russland: dort waren es im vergangenen Jahr bereits 165.000 m² (Anteil von 11%) nach nur 15.000 m² (1% des Umsatzes) in 2011.