Wettstreit um Deutschlands Innenstädte ist voll entbrannt

Von Ruth Vierbuchen 

Der Wettstreit um Deutschlands Innenstädte ist voll entbrannt. Doch viele der Akteure, die hier ihr Geld verdienen, haben das Ausmaß und die Konsequenzen noch nicht wirklich begriffen. Der Druck der Investoren, die Handelsimmobilien als wertbeständige Investments entdeckt haben und die in großvolumige Objekte investieren wollen, erzeugt wiederum den Druck, neue Shopping-Center zu bauen.Davon hat Deutschland ja bekanntlich weniger als andere Industrieländer. Andererseits sind Shopping-Center gut geeignet, Industriebrachen mit neuem Leben zu füllen und innerstädtische Wegebeziehungen herzustellen, was sie als städtebauliche Instrumentarien für Kommunen interessant macht. So entstehen neue Flächen durch neue Zentren, Klein- und Mittelstädte steigern ebenfalls ihre Einzelhandelsqualität, weil Investoren verstärkt auch hier neue Shopping-Center bauen wollen.

Interessant ist der deutsche Einzelhandelsmarkt auch für internationale Filialisten – insbesondere im Mode-Bereich – die auch bereit sind, viel Key Money zu bezahlen, um in den Top-Lagen den Fuß in die Tür zu bekommen. Immerhin ist der Deutsche der vermögendste Konsument Europas.

Das alles spielt sich ab in einem Markt, in dem die Konsumkonjunktur seit vielen Jahren nicht anspringt und sich der Einzelhandel mit sinkenden realen Umsätzen konfrontiert sieht. Zuletzt wurde die Hoffnung auf die Wende zum Besseren zunichte gemacht, als das Statistische Bundesamt im August feststellte, dass das BIP um 0,5% geschrumpft ist – nicht zuletzt, weil die Konsumausgaben der Privathaushalte gesunken sind. Steigende Ölpreise mit ihrem hohen Steueranteil, steigende Lebensmittelpreise, aber auch die Belastung durch Steuern und die kalte Progression bei der Einkommenssteuer, die den Inflationsausgleich bei der Lohnerhöhung wieder zunichte macht, fordern ihren Tribut. Die Belastungen durch Steuern und Abgaben haben die Konsumkonjunktur erstickt. Die Krise bei Wehmeyer, Hertie und Sinn-Leffers sind Beispiele für die Härte des Wettbewerbs.

Angesichts der vielen Baukräne und Neubauprojekte in den Top-Einkaufslagen stellt sich schon heute die Frage, wer die Verlierer von morgen sein werden? Zweifellos werden viele private Immobilieneigentümer darunter sein, die zu spät merken, dass ihr Top-Standort durch den rasanten Strukturwandel zur Nebenlage mutiert ist. Beispiele gibt es genug. Und dass die Zahl der Business-Improvement Districs (BID) in Deutschland immer noch recht bescheiden ist, zeugt vom mangelnden Problembewusstsein der Betroffenen oder der – typisch deutschen Einstellung – dass der Staat alles richten muss. Dabei eröffnen BIDs die Chance, in Eigenregie einiges zu bewirken, wie das Beispiel Hamburg Bergedorf zeigt (siehe Artikel: BID Sachsentor steht vor der nächsten Runde): Die Verantwortung für den Wert und die Entwicklung der Immobilie und ihrer Umgebung zu   übernehmen. Denn ein Staat, der für seine Bürger zu viele Aufgaben übernimmt, wird irgendwann zur erdrückenden Last.

Quelle: HIR, Editorial, Nr. 29, 29.08.2008

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