Verunsicherung und Hektik bestimmten die letzten Wochen des dritten Quartals. Und beides hat sich auch in den ersten Oktobertagen fortgesetzt. Die panikartigen Hypo Real Estate-Rettungspakete der Politik und Bankenwelt sowie die aktuelle Leitzinssenkung aller wichtigen Notenbanken der Welt haben auch dem allerletzten Zweifler deutlich vor Augen geführt: der Würgegriff der Finanzmarktkrise hat sich noch einmal verstärkt. Vor dem Hintergrund einer der schlimmsten Finanzkrisen seit 1929 ringt auch der deutsche Immobilieninvestmentmarkt nach Luft, so Jones Lang LaSalle: ohne Refinanzierung der Banken kein Kredit an Unternehmen, ohne Kredit keine Immobilienfinanzierung und ohne Finanzierung keine Immobilientransaktionen.
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Diese Kette verdeutlicht die enge Verflechtung des Immobilienmarktes mit dem Kapitalmarkt.
„Die Frage nach der Berechtigung teilweise horrender Risikoaufschläge auf an sich gut besicherte Kredite mit guten Immobilien mag man sich stellen. Der gesamte Immobilienhandel wird derzeit über einen Kamm geschoren. Für eine adäquate Beurteilung fehlt das Vertrauen und es wird noch eine ganze Weile dauern, bis genau dieses wieder Fuß fassen kann“,
so Marcus Lemli, bei Jones Lang LaSalle Leiter Capital Markets Deutschland. Und weiter:
„Das konzertierte Rettungspaket aller wichtigen Regierungen rund um den Globus setzt genau hier an und ist daher ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, um den Interbankenhandel wieder anzutreiben“.
Transaktionsvolumen hoch gestiegen und tief gefallen
Zwischen Juli und September wechselten Immobilien mit gewerblicher Nutzung im Wert von 4,5 Mrd. Euro den Besitzer, ein ähnliches Ergebnis wie im 2. Quartal dieses Jahres. Damit liegt das Transaktionsvolumen im Dreivierteljahr bei rund 16,5 Mrd. Euro und damit um 55 bis 60 % unter dem Der deutsche Investmentmarkt ringt nach Luft jeweiligen Ergebnis von 2006 und 2007.
„Für das Gesamtjahr erwarten wir ein Transaktionsvolumen von 20 – 23 Mrd. Euro. Verglichen mit den beiden Vorjahren ist das ohne Frage ein dramatischer Einbruch. Wir gewöhnen uns rasch an immer steigende Zahlen, aber das tun sie halt nicht und schon gleich gar nicht in diesen Größenordnungen“,
so Lemli. Und weiter:
„Im Reigen der zahlreichen negativen Schlagzeilen wird allzu oft vergessen, dass historisch gesehen insbesondere in den beiden genannten Jahren Ausnahmesituationen herrschten: niedrige Zinsen, globales Wirtschaftswachstum, attraktive Renditen, Produktverfügbarkeit. Das hat den Markt geöffnet und die Produkte fungibler gemacht. Davon haben bestimmte Player profitiert in einem Maße, wie das 2004 oder 2005 noch nicht vorstellbar war. So wie dann die Kapitalflüsse explodierten, so versiegen sie derzeit. Eine Investorengruppe verabschiedet sich dabei bis auf weiteres vom Markt, eine andere profitiert davon, z. B. die deutschen offenen Fonds, die jetzt verstärkt wieder auf der Käuferseite zu finden sind. Noch hohe Mittelzuflüsse und ausreichende Eigenkapitalausstattung machen Finanzierungen möglich. Dementsprechend nutzen sie die sinkenden Preise für den sehr selektiven Erwerb von attraktiven Immobilien“.
Der Anteil der deutschen offenen Fonds am bisherigen Transaktionsvolumen in 2008 beträgt mittlerweile immerhin rund 15 % und damit mehr als in den Jahren 2004 (5 %) und 2005 (12 %). Führend sind weiterhin die Asset/Fund Manager mit einem Anteil von 23 %. Die noch positiven Vermietungsmarktzahlen spiegeln sich auf den Investmentmärkten in einem wieder höheren Anteil der Assetklasse Büroimmobilie wider. Mit 38 % am gesamten Transaktionsvolumen liegt sie vor dem Sektor Einzelhandelsimmobilie, der auf 32 % kommt. Der Trend wird sich in den kommenden Monaten verfestigen, mit der erhöhten Risikoaversion der Investoren bleiben Büroimmobilien die bevorzugte Anlageklasse.
Als besonders schwierig erweisen sich in 2008 Portfoliotransaktionen bzw. größere Transaktionen jenseits der 100 Mio. Euro. Im 3. Quartal wurden lediglich sechs Transaktionen über diesem Volumen registriert, im gesamten Jahresverlauf bis dato 17.
„Der Vergleich zum Vorjahr fällt drastisch aus: von Januar bis September 2007 gab es 87 Transaktionen mit jeweils mehr als 100 Mio. Euro. Insofern überrascht es auch nicht, dass sich das Verhältnis von Einzeldeal zu Portfoliotransaktion mit einem Anteil von 60 zu 40 % erstmals wieder gedreht hat“,
so Helge Scheunemann, bei Jones Lang LaSalle Leiter Research.
Mit dem verstärkten Fokus auf Einzeldeals rücken auch die etablierten Investmentmärkte wieder in den Blickpunkt. Auf die Big 6 (Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, München, Stuttgart) entfallen von Januar bis Ende September 2008 mit 6,76 Mrd. Euro zusammen rund 41 % des Transaktionsvolumens. Auch wenn das ebenfalls ein signifikanter Rückgang gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum bedeutet (- 60 %), kann ein erhöhtes Interesse der Investoren nach Investitionen in diese Standorte registriert werden. Der Anteil dürfte in den nächsten Monaten weiter steigen.
„Ein wesentlicher Grund für diese Entwicklung liegt in dem deutlich höheren Stellenwert der beiden Aspekte „Risiko“ und „Sicherheit“ bei Investitionsentscheidungen. Und beide lassen sich in Der deutsche Investmentmarkt ringt nach Luft den klassischen Büromärkten immer noch am besten abwägen“,
so Scheunemann.
Bei den Spitzenrenditen für Büroimmobilien (Netto-Anfangsrenditen) – in den vergangenen drei Monaten im Schnitt über alle sechs Hochburgen um gut 25 Basispunkte auf 5,16 % und im 12-Monatsvergleich um fast 60 Basispunkte gestiegen – dürfte bis Ende 2009 eine weiter leicht steigende Tendenz zu beobachten sein, wobei die Preise frühestens ab etwa Mitte kommenden Jahres ihren Tiefpunkt erreicht haben könnten.
Neben den ausgetrockneten Kreditmärkten wird das Pricing von Immobilien vermehrt durch das Übergreifen der Finanzkrise auf die Realwirtschaft und damit auf die Vermietungsmärkte beeinflusst. Eigenkapitalstarke Investoren agieren in diesem Umfeld sehr genau und vorsichtig und haben höhere Renditeanforderungen, auch für hochwertige Objekte. Da der wirtschaftliche Abschwung erst zeitversetzt bei den Unternehmen und damit auf die Nutzermärkte durchschlägt, müssen die Preise aus Käufersicht weiter fallen, um auch ohne Fremdfinanzierung eine attraktive Rendite auf das eingesetzte Eigenkapital zu erwirtschaften.
„Diese zu erwartende Durststrecke kann sich dann wieder ändern, wenn die Zinsen (weiter) fallen und gleichzeitig der Finanzfluss wieder in Gang kommt. Sollte das nicht passieren, wird sich der Druck auf diejenigen Bestandshalter erhöhen, die in den letzten Jahren mit hohen Fremdfinanzierungsraten am Markt agiert haben und deren Finanzierung kurzfristig ausläuft. Wir erwarten aber 2009 keine Schwemme von sog. „Fire Sales“. Dies gilt insbesondere für qualitativ gute und (voll)vermietete Objekte in guten Lagen. Aufgrund deren relativ sicheren cash flows werden die Banken diese Immobilien in ihre Bilanz nehmen und auf einen besseren Verkaufszeitpunkt warten“
so Marcus Lemli.
Quelle: Jones Lang LaSalle