Factory Outlet Center: Über den Erfolg entscheidet der Markenmix

Von Ruth Vierbuchen. Weltweit, so die groben Schätzungen, wird etwa 30% zu viel Bekleidung produziert. Das erklärt, warum die Branche seit Jahren unter Druck steht und es begründet das Interesse der Mode-Branche, jenseits des Einzelhandels nach Absatzwegen zu suchen. Zumal der klassische Facheinzelhandel immer häufiger ausfällt und die Hersteller gezwungen sind, selbst als Einzelhändler zu fungieren. Besonders im gehobenen Genre besteht die besondere Herausforderung darin, überschüssige Ware am Markt abzusetzen, ohne dass die aktuellen Kollektionen durch große Preisnachlässe Schaden nehmen. Oder dass sie im grauen Markt verschwinden, wo der Verkauf überhaupt nicht mehr kontrolliert werden kann. Die Fabrik-Verkäufe, meist am Stammsitz des Unternehmens – berühmtes Beispiel ist Hugo Boss in Metzingen – oder fernab der Geschäfte, die das Normalangebot haben, sind wichtige Absatzkanäle für die Hersteller.

Um die Abgrenzung zur teuren Saison-Kollektion zu finden, wird in den Fabrik-Läden Ware aus früheren Saisons oder mit leichten Fehlern angeboten. Wie heikel der Fabrik-Verkauf ist, zeigt wiederum das Beispiel Hugo Boss: Im Umkreis von Metzingen findet sich kaum ein Einzelhändler, der die Marke anbietet. Die Konkurrenz durch den Fabrik-Verkauf ist zu groß. Und es entspricht dem Interesse der „smarten Shopper“, gehobene Markenware zu günstigen Preisen zu erwerben, wie das Institut für Gewerbeimmobilien in Starnberg berichtet. Dass die Factory Outlet Center (FOC), die Ansammlung von Hersteller-Läden im angenehmen Einzelhandels-Ambiente – wie im Shopping-Center – in den 1970er- Jahren in den USA erfunden wurden, hat seine Gründe: Zum einen bietet das weiträumige Land genug Raum, die FOC weit weg von den traditionellen Einzelhandels- Ansiedlungen aufzubauen. Zum andern nehmen die Einzelhändler die Ware nur in Kommission, d. h., sie können die nicht verkaufte Ware an den Hersteller zurückgeben und müssen sie nicht am Saison-Ende in Schlussverkäufen los werden.

In Deutschland ist das anders. Der Händler nimmt die Ware ins Eigentum und muss sie am Saisonende mit Preisnachlässen verkaufen. Insofern ist der Fabrikverkauf im relativ dicht besiedelten Deutschland durchaus als Konkurrenz zu sehen. Das erklärt die restriktive Genehmigungspraxis und warum Deutschland als größter Einzelhandelsmarkt Europas mit einem Gesamtumsatz von knapp 400 Mrd. Euro in puncto Factory Outlet Center mit 5 Centern in Zweibrücken, Wertheim, Ingolstadt, Wolfsburg, Hermsdorf und Berlin-Wustermark nur wenig zu bieten hat. Und es erklärt die Zurückhaltung der Markenhersteller in solche Center zu gehen, um den Einzelhandel nicht zu verärgern. Von den 124 FOC, die seit den 1990er-Jahren in Europa gebaut wurden, steht nach der Studie „Factory Outlet Centre Performance – European Report 2008“, die von CB Richard Ellis in Kooperation mit dem Marktforschungsunternehmen Ecostra erstellt wurde, der größte Teil (39) in Großbritannien.

Gut besetzt sind auch bereits Italien mit 22, Spanien mit 18 und Frankreich mit 13 Zentren. In Deutschland sind laut Studie derzeit 3 weitere Center geplant: in Neumünster, Montbaur und den Gemeinden Soltau, Bad Falilngbostel oder Bispingen, das laut Studie durch den Entscheid eines Wettbewerbs genehmigt werde. Da einfach nur „billig“ noch kein Erfolgskonzept für ein FOC ist, hat die Studie versucht, die Kriterien heraus zu arbeiten, die für den Erfolg wichtig sind. Grundvoraussetzung ist demnach, dass ein attraktiver und ausgewogener Mix aus zugkräftigen A-Marken, die sich aus Top-Designermarken und internationalen Marken mit großer Breitenwirkung zusammensetzen, geboten werden. Wichtig für den Mix sind zudem nationale und internationale B-Marken sowie nationale und regionale C-Marken. Ohne solche Marken ist es aus Sicht von Sven Buchsteiner von CB Richard Ellis recht schwierig, die Kundschaft im Einzugsgebiet von einer Stunde um das Center herum anzulocken.

Ausfall der Kaufhäuser bleibt nicht ohne Wirkung Die 56 Factory Outlet Center, die in der Studie genauer untersucht wurden, hatten im Durchschnitt einen A-Markenanteil von 12% und einen B-Markenanteil von 26%. Auf C-Marken entfielen 19%. 43% des Angebots machten weniger bekannte und verbreitete Marken aus. Die in der Studie identifizierten beliebtesten Center kommen auf einen A-Marken-Anteil von 18%, einen B-Markenanteil von 31% und einen C-Marken-Anteil von 16%. An der Spitze der zugkräftigen Marken stehen Nike (74%) und Levi’s (71%) vor Calvin Klein (64%).

Die meisten Marken kommen aus den USA, aber Deutschland liegt bereits auf Platz 2. Auf dem Spitzenplatz rangieren natürlich Bekleidung mit 35% vor Sport und Schuhe mit je 7%. Beliebtestes Center im Ranking ist das britische Bicester Village FOC von Value Retail im britischen Oxfordshire, weil es laut Buchsteiner einen sehr guten Branchenmix bietet und in der Nähe von London liegt, einer Region mit hoher Kaufkraft und touristischem Potenzial. Es gilt nach Angaben der Mieter als das führende Factory Outlet Center in Europa.

Das Wertheim Village FOC in Deutschland belegt immerhin Platz 7. Und mit dem Factory Wroclaw des spanischen Betreibers Neinver hat es auch ein Objekt aus Polen in die Top 10 geschafft. CBRE-Manager Buchsteiner glaubt mit Blick auf die Zukunft, dass nach dem Rückgang der etablierten Full-Price-Vertriebslinien wie den Textilkaufhäusern Sinn- Leffers, Wehmeyer oder Hertie sich die Spannung im Verhältnis zwischen Herstellern und Händlern mit Blick auf die Center etwas lösen werde und FOC als Absatzwege zwangsläufig an Bedeutung gewinnen. Mit Blick auf die Architektur der FOC ist der Village-Typ die bevorzugte Form: Laut Studie stieg der Anteil nach 1999 auf 66%, vor dem Mall-Typ (24%) und dem Strip- Center, worunter ein Center in L- oder U-Form mit direkt anschließenden Parkplätzen verstanden wird. Auch das Institut für Gewerbeimmobilien in Starnberg bestätigt diesen europaweiten Trend zum Village-Typ. (gi24/HIR, Nr. 54)

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