Ob kulturell, kulinarisch oder zum Shoppen. Braunschweigs Innenstadt ist einen Besuch wert. Die attraktive und lebendige Innenstadt lockt mit zwei Gesichtern. Denn die historischen Gebäude und Plätze wie Burgplatz, Altstadtmarkt und Kohlmarkt stehen in einer reizvollen Wechselwirkung zu den modernen Geschäftshäusern in der Fußgängerzone. Das Angebot des Braunschweiger Einzelhandels ist hochwertig und vielfältig. Grund genug für Günter Rudloff, Geschäftsführer der COMFORT Hamburg GmbH, sich in seinem aktuellen Städtereport ausführlich der niedersächsischen Großstadt mit rund 245.000 Einwohnern zu widmen.
Lange Zeit, so Rudloff, war jedes Gespräch über den Braunschweiger Einzelhandel nur von einem Thema geprägt: Dem Wiederaufbau des Braunschweiger Residenzschlosses durch den Hamburger Centerentwickler ECE. Dieser hatte den Aufbau der historischen Fassade mit dem Bau der so genannten Schloss-Arkaden verbunden, die hinter den rekonstruierten Fassaden Platz für rund 150 neue Läden auf ca. 30.000 Quadratmeter Verkaufsfläche bieten. Nicht eben wenig, findet Rudloff. Dies müsse eine Innenstadt erst einmal verkraften. Insbesondere dann, wenn hinter den Mauern nichts wirklich Neues geboten werde, sondern sich im Großen und Ganzen das Angebot wieder finde, dass es auch in der Innenstadt bereits gab und gibt.
Die wichtigste Erkenntnis, meint Rudloff, ist sicher die, dass die Braunschweiger Innenstadt im Wettbewerb mit dem neuen Einkaufszentrum besteht. Die langjährig gewachsenen Einzelhandelslagen mit ihrem breiten und attraktiven Angebot und ihrer hohen Aufenthaltsqualität haben die Herausforderung durch die Schloss-Arkaden angenommen.
Die Nachfrage nach Einzelhandelsflächen in den 1A-Lagen in Braunschweig ist ungeachtet der neuen Konkurrenz enorm hoch, berichtet Rudloff. Eine Vielzahl von Projektentwicklungen in 1A-Lagen konnte an internationale Filialisten vermietet werden und hat die Attraktivität Braunschweigs weiter spürbar erhöht. Gleichzeitig haben diese Ansiedlungen mit Magnetfunktion auch die Zentralität des Standortes weiter verbessert, die für das Jahr 2008 von der BBE, Köln mit 157,1 angegeben wurde. 2007 lag sie noch bei 153,6. Auch die Mieten sind nach anfänglichen Irritationen über die Centerentwicklung der ECE in den letzten Jahren wieder gestiegen. In der Braunschweiger Innenstadt werden nach COMFORT-Beobachtungen aktuell Mieten bis zu 115 Euro/qm für Ladenflächen von 80 bis 120 qm gezahlt. Für Flächen mit einer Größe von etwa 300-500 qm werden in der Spitze immer noch 65 Euro/qm aufgerufen. Daraus ergibt sich eine Mietpreissteigerung der letzten fünf Jahre von mehr als 21 Prozent, die sich ausschließlich aus den Anstiegen aus den beiden letzten Jahren ergibt. In den Jahren zuvor verharrte der Mietpreis bei rund 95 Euro. Zögerliches Verhalten der Einzelhandelsketten beim Anmietungsverhalten aufgrund des ECE-Centers war die Ursache für diese Stagnation, die nunmehr überwunden scheint. Allein im letzten Jahr zogen die Mieten noch einmal um rund 4,5 % an.
Die Antwort auf das Center ist an vielen Stellen der Innenstadt zu erkennen. Es wird kräftig investiert. Braunschweig gewinnt damit zunehmend an Attraktivität hinzu. Natürlich, räumt Rudloff ein, mussten die rund 30.000 Quadratmeter Verkaufsfläche hinter der hervorragend rekonstruierten Schlossfassade erst einmal verkraftet werden. Die Schwächen des Centers bieten jedoch auch Angriffsfläche und damit Chancen für die innerstädtische Konkurrenz in den angestammten 1A-Lagen. Denn tritt man hinter die schönen Mauern des “Schlosses“, erlebt man recht unvermittelt ein Gebäude, das sich ohne weitere Reminiszenzen an die Historie des Standortes kaum von den üblichen Einkaufscentern unterscheidet. Und auch die schiere Größe der Ladenflächen kann nicht darüber hinweg täuschen, dass neue Highlights in dem Center fehlen. Das zuvor schon attraktive Einzelhandelsangebot der Stadt wurde nur unwesentlich ergänzt. Zum Teil sind hier die üblichen Doppelbelegungen der national und international erfolgreichen Filialisten festzustellen. Mieter wie Hennes & Mauritz, New Yorker, C&A sowie Thalia befinden sich bereits an anderer Stelle.
Der Einfluss des ECE-Centers, sagt Rudloff, ist jedoch auf andere Weise spürbar. Denn das Laufverhalten der Kunden habe sich verändert. Ein Trend, der sich wohl weiter festigen wird. Die klassischen Lauflagen Hutfiltern und Damm führen die Passantenströme zum Bohlweg und damit zum ECE Center. An dieser Stelle sind nun mit der Galeria Kaufhof und den Schloss-Arkaden zwei großflächige Einzelhandelsmagneten vertreten. Auffällig ist, dass die Kunden vom Bohlweg kommend auch über Langer Hof, Domplatz und Burgplatz zu den Lauflagen Sack und Schuhstraße weitergehen. Diese Lagen müssen sich nun weiter entwickeln, um sich in der neu entstandenen Situation behaupten zu können. Bewegung gibt es auch an der Schnittstelle Hutfiltern/Damm zu den Kattreppeln. Hier wird die Kanada-Bau in einem ersten Schritt auf dem Areal des ehemaligen Fernmeldeamtes eine Großfläche für den Einzelhandel entwickeln, welche durch einen direkten Anschluss an die 1A-Lage Damm/Hutfiltern angebunden wird. Bei dem am Sack gelegenen City-Point, einem von der ECE gemanagten und in die Jahre gekommenen Einkaufscenter, wird der Handlungsbedarf mittlerweile deutlich erkennbar.
Nachdem in den letzten Jahren zunächst die 1A-Lage Damm durch neue Ansiedlungen (Hennes & Mauritz, Zara, Mexx, Vero Moda, Jack & Jones, Ann Christine, The Phone House und Geox) erheblich gewonnen hat und sich mit dem Gebäude des derzeitigen Karstadt Sporthauses am Hutfiltern möglicherweise eine weitere Entwicklung anbahnt, werden jetzt auch verstärkt in der Schuhstraße und am Sack diverse Flächen neu entwickelt. Am Sack 1 wurde der Luftschutzbunker abgerissen. Hier entstehen, wie an der Schuhstraße 9, neue Einzelhandelsflächen. Das ehemalige Kimmich-Kaufhaus an der Schuhstraße 25–28 wurde aufwändig umgebaut. Hier ist der größte New Yorker Flagshipstore entstanden. Des Weiteren hat Peek & Cloppenburg sein hervorragend platziertes Haus zum Ende des Jahres 2008 ebenfalls umgebaut und die Flächen um rund 500 qm erweitert.
„Das nicht mehr aktuelle Karstadt-Haus und die Burgpassage sollten diesen Beispielen möglichst bald folgen“, findet Rudloff. „Karstadt riskiert sonst eine weitere Schwächung seiner Marktposition und könnte im Umfeld der vielen Investitionen bald den Anschluss verlieren.“ Die Burgpassage könne die erweiterte und aufwertende Anbindung Peek & Cloppenburgs an die Passage als Startschuss für eigene Investitionen in eine höhere Attraktivität aufgreifen. Die nach wie vor hohe Passantenfrequenz biete hierfür schließlich eine solide Grundlage.
Neben diesen Hauptgeschäftslagen birgt die derzeitige Situation auch Spielräume für die positive Entwicklung von Nebenlagen. So wird die Schlosspassage, eine der ältesten Ladenzeilen Braunschweigs, reaktiviert. Die Nachkriegspassage verlor mit dem Aufkommen der Großflächen im Einzelhandel zunehmend an Bedeutung und wird im Stil der 50er-Jahre hergerichtet. Langfristig wird sich dann auch das Bild des Bohlwegs ändern. Im Schlepptau der Schloss-Arkaden werden sich die gegenüberliegenden Immobilien dem neuen Niveau anpassen.
„Dass einige Investoren die weitere Entwicklung nach Eröffnung der Schloss-Arkaden abwarten und zunächst nur zögerlich investieren, zeugt von einer gewissen Unsicherheit, die derzeit im Immobilienmarkt in Braunschweig zu spüren ist“, sagt Rudloff mit Blick auf den Investmentmarkt für Einzelhandelsimmobilien. „Es gibt Eigentümer, die sich vor der ECE-Entwicklung von ihren Beständen getrennt haben. Andere wiederum suchen unbeirrt weiterhin Objekte in guten Lagen. Der Markt gibt daher derzeit kein einheitliches Bild ab.“ Ganz anders sieht es auf dem Vermietungsmarkt aus. Diverse namhafte Filialisten drängen weiterhin nach Braunschweig und suchen geeignete Ladenlokale. Dies wird Rudloff zufolge kurzfristig auch wieder die Immobilieninvestoren auf den Plan rufen. Aufgrund des mangelnden Flächenangebotes in den absoluten 1A-Lagen werden von anmietungswilligen Einzelhändlern nun auch die in den letzten Jahren eher weniger beachteten Lagen Schuhstraße und Sack wieder zunehmend nachgefragt. Vorteilhaft für diese Lagen ist, dass sich hier ein Großteil des Parkplatzangebotes der Braunschweiger Innenstadt befindet.
Abschließend, so Rudloff, könne man urteilen, dass die Braunschweiger Innenstadt die Schloss-Arkaden erfolgreich integriert hat. Die Größe der Stadt, die Attraktivität der Altstadt mit ihrer hohen Aufenthaltsqualität (Beispiel Kohlmarkt) und das Niveau des vorhandenen Einzelhandels hat bei diesem Prozess eine entscheidende Rolle gespielt. Der innerstädtische Einzelhandel insgesamt profitiert von der überdurchschnittlichen Kaufkraft der Braunschweiger Bevölkerung ebenso wie von der hohen Anziehungskraft, die von Braunschweig auf die gesamte Region ausgeht. Dies untermauern die entsprechenden Kennzahlen für die Zentralität (157,1) und Kaufkraft (102,9). Positiv zu betrachten sei ebenso, dass sich mit 182.000 Quadratmeter Verkaufsfläche mehr als 32 Prozent der insgesamt 560.000 Quadratmeter Verkaufsfläche in Braunschweig in der Innenstadt befinden. Im Bundesschnitt seinen nur gut 27 Prozent üblich. Allerdings, so Rudloff weiter, habe sich die Menge der Verkaufsfläche insgesamt in den letzten Jahren stark erhöht – namentlich von rund 460.000 im Jahr 1992 auf nunmehr etwa 560.000 Quadratmeter. Hieraus resultiere eine Verkaufsfläche pro Kopf von 2,3. Im Bundesdurchschnitt liegt dieser Wert nur bei knapp 1,5. Dies wirke sich gegenwärtig zwar noch nicht negativ auf Mietpreise und Wertigkeit der einzelnen Lagen aus. Dennoch sei damit ein Wert erreicht, der nahe lege, neue Projektentwicklungen nur punktuell vorzunehmen und den Mikrostandort und dessen Aussichten sehr genau zu prüfen. Sinnvoller sei es sicher, die Einzelhandelsflächen im Bestand qualitativ aufzuwerten.
„Es ist davon auszugehen“, meint Rudloff zuletzt, „dass die nunmehr zusätzlich aus der Umgebung Braunschweigs anreisenden Besucher auch die Gelegenheit zum Altstadtbummel wahrnehmen werden.“ Die ohnehin starke Oberzentrumsfunktion der Stadt dürfte damit weiter gefestigt werden und sich auch gegenüber der weiter erstarkenden Landeshauptstadt Hannover behaupten. Damit trage die wieder aufgebaute Schlossfassade der Braunschweiger eben doch ihren Teil zum monetären Glanz der Stadt bei.
gi24/Comfort
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