Einzelhandel: Hauseigentümer sollten Interessensgemeinschaften als Chance sehen

Von Prof. Dr. Petra Brockhoff, Brockhoff & Partner Immobilien GmbH

Immer stärker breiten sich Einkaufszentren in den Innenstädten aus. Der allein agierende Einzelhändler steht der professionellen PR- und Überzeugungsmaschinerie der Einkaufszentren-Betreiber recht hilflos gegenüber. Zusammenschlüsse sind aber nicht nur in solchen Situationen sinnvoll. Recklinghausen soll nicht ein, sondern gleich zwei neue Einkaufszentren bekommen. Mit unterschiedlichen Konzepten und an unterschiedlichen Standorten werben mfi und Multi Development um die Gunst von Politik, Öffentlichkeit und Einzelhandel in der Kreisstadt im nördlichen Ruhrgebiet.

Als Multi Development sein Konzept in einem Kino am Rand der Stadt vorstellte, waren über 200 Besucher gekommen, um sich über die Pläne des Niederländischen Investors zu informieren. Von den Einzelhändlern der Stadt nahm indes kaum einer die Gelegenheit wahr, sich aus erster Hand die Pläne erläutern zu lassen, die wahrscheinlich die Grundlagen seines Geschäftes verändern werden: Wenn ein neues Einkaufszentrum gebaut wird, gehört fast immer der traditionelle Einzelhandel zu den Verlierern.

„Gerade wenn sich Einkaufszentren-Betreiber für eine Innenstadt interessieren, wird es höchste Zeit für die Einzelhändler, sich zusammenzuschließen“,

so der Rat von Prof. Dr. Petra Brockhoff, die bei der auf Vermietung von Einzelhandelsimmobilien spezialisierten Brockhoff & Partner Immobilien GmbH für das Beratungsgeschäft verantwortlich ist.

„Nur gemeinsam haben die Einzelhändler und die Eigentümer der Innenstadt-Immobilien die Chance, die Politik aufmerksam zu machen und sich im Wettbewerb mit den Einkaufszentren zu behaupten. Denn überall dort, wo ein Einkaufszentrum angekündigt wird, wird die Luft dünner für die Fußgängerzone.“

Brockhoff & Partner hat nachgewiesen, dass vom Tage der Ankündigung eines Einkaufszentrums bis zu dessen Fertigstellung und oft über einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren nach Inbetriebnahme des Einkaufszentrums hinaus, die Einzelhandelsmieten deutlich sinken, zum Teil bis auf 50 % des Ursprungswerts und analog dazu auch die Kaufpreise für zum Verkauf stehende Objekte. 

„Hierbei handelt es sich um eine ganz erhebliche Wertreduzierung, der entgegengesteuert werden muss.“

Wenn die Eigentümer sich in Gemeinschaften zusammentun und auch geringe Beträge einzahlen, um mit diesem Geld dann die Attraktivität der Fußgängerzonen und der Innenstädte zu verbessern, könnten, wie Petra Brockhoff erklärt, auch unter Einbindung der Einzelhändler vielerorts Einkaufszentren verhindert werden.

In den Einkaufszentren herrscht ohnehin Organisationspflicht: Jeder Mieter ist Pflichtmitglied in einer Werbegemeinschaft und mit den Beträgen der Mieter und einem Zuschuss der jeweiligen Eigentümer werden dann Veranstaltungen in den Zentren durchgeführt, die zu deren Attraktivität beitragen. In den Innenstädten werden bislang solche Initiativen vermisst.

Prof. Dr. Petra Brockhoff:

„Sicherlich, es gibt überall Werbegemeinschaften, doch ihnen fehlen häufig die Mittel, attraktive Veranstaltungen durchzuführen, und genau die sind notwendig, um das Scheinwerferlicht auf die Innenstadt und nicht auf das Center zu lenken.“

Die Beträge, mit denen so etwas realisiert werden kann, sind, wenn alle Eigentümer mit einzahlen, für jedes Objekt um ein Geringfügiges niedriger als der Betrag, der für fünf bis zehn Jahre an Mieten verloren wird, wenn es zu einem Center in der Stadt kommt, so Petra Brockhoff. In Gesprächen mit Hauseigentümern weist Brockhoff & Partner auf die Situation hin. Einige Hauseigentümer sind inzwischen bereit, sich in solche Initiativen einzubringen. Viele jedoch nach wie vor nicht.

Das liegt auch daran, dass ein nicht unerheblicher Teil der Eigentümer der Innenstadt-Objekte im Ausland lebt, sofern es sich um Privateigentümer handelt. Versicherungen, Pensionskassen und Aktiengesellschaften aus dem In- und Ausland haben als Eigentümer ohnehin zu den jeweiligen Objekten keinen ausreichend großen Bezug, um sich zu engagieren. Dies wäre jedoch notwendig, um Einkaufszentren zu verhindern oder dann, wenn ein Einkaufszentrum entstanden ist, für die weitere Attraktivität der Fußgängerzone zu sorgen. Und das im eigenen Interesse, denn nur wenn die Fußgängerzone attraktiv ist, siedeln sich hier solvente Mieter mit guten Konzepten und langfristigen Mietverträgen an, die letzten Endes den Wert der Immobilie sicherstellen.

„Aber auch wenn es keine Bedrohung durch ein Einkaufszentrum gibt“,

regt Petra Brockhoff an,

„ist ein stärkeres Zusammengehen der Einzelhändler und der Besitzer der innerstädtischen Immobilien sinnvoll, zumal der Gesetzgeber mit den Business Improvement Districts neue Rahmenbedingungen geschaffen hat.“

Business Improvement Districts (BIDs) wurden in nordamerikanischen Innenstädten als Reaktion auf die wachsende Konkurrenz durch Einkaufszentren entwickelt.

Einer der Vorteile von Einkaufszentren gegenüber den gewachsenen Innenstädten ist, dass sie ein zentrales Management haben, das für eine gesunde Einzelhandelsstruktur sorgt, ein sauberes und einheitliches Erscheinungsbild wahrt und Werbemaßnahmen der Mieter koordiniert. Diese Eigenschaften von Einkaufszentren sollten durch BIDs auch Innenstädte erreichen. Das erste BID wurde 1970 in Toronto (Kanada) eingerichtet und gilt heute als eine der BID-Erfolgsgeschichten. Aufgrund ihres Erfolgs in Nordamerika gelten sie auch in Deutschland als zukunftsträchtiges Stadtentwicklungskonzept.

Das erste BID in Deutschland wurde im Februar 2005 in Hamburg-Bergedorf beantragt und auch im Bochumer Bermuda-Dreieck wurde kurz darauf ein BID gegründet. Der Business Improvement District ist ein räumlich abgegrenzter innerstädtischer Bereich, in dem die Grundeigentümer sich selbst für eine bestimmte Zeit zur Finanzierung von Maßnahmen zur Umfeldverbesserung oder anderer gemeinsamer Interessen verpflichten. Dazu ist regelmäßig ein Quorum der Grundeigentümer erforderlich, in dem eine qualifizierte Mehrheit der Einrichtung des BID zustimmt oder der Einrichtung nicht widerspricht.

Daraufhin kann die Kommune eine Satzung erlassen, durch die alle Grundeigentümer zur Vermeidung von Trittbrettfahrern zur finanziellen Beteiligung an den Maßnahmen des BID verpflichtet werden. Typische Handlungsfelder eines BID sind Maßnahmen zur Umfeldverbesserung, z.B. Reinigung von Graffiti, Verbesserung der Sauberkeit oder Ersatz von Material. Aber auch Investitions- und Marketingmaßnahmen sind prinzipiell im Rahmen eines BID möglich.

Einen Vorteil von BIDs sieht Petra Brockhoff in der im Vergleich zu klassischen Werbegemeinschaften höheren Verbindlichkeit:

„BIDs arbeiten enger zusammen und haben einen viel größeren Einfluss auf die Politik als Werbegemeinschaften. Und da ihre Maßnahmen zum Teil auch für Nichtmitglieder gelten, fällt die Demotivation durch Trittbrettfahrer weg.“

Quelle: Brockhoff & Partner, 04.09.2008