Hertie: Investoren haben ihre Konzepte schon bereit liegen

Von Ruth Vierbuchen. Ihr Konzept für die neue Generation von Hertie-Kaufhäusern haben die drei Investoren, die bereits einen Letter of Intent (Absichtserklärung) für die Übernahme des Hertie- Geschäftsbetriebs unterzeichnet haben, in der Schublade liegen. Und der Antrieb der drei erfahrenen Manager aus der Handelsszene, die Neukonzeption eines innerstädtischen Warenhausunternehmens zu entwickeln, ist groß. Das jedenfalls versichert Handelsexperte Rolf Schuchardt, der als Berater und Sprecher des Konsortiums fungiert, im Gespräch mit dem „Handelsimmobilien Report“.

„Jetzt haben wir die Möglichkeit, bei Null anzufangen. Das ist eine Riesenchance“, umschreibt er die Motivation. Das Risiko halten sie für kalkulierbar. Dass die drei Interessenten bislang nicht in die Öffentlichkeit treten, liegt laut Schuchardt an den anderweitigen Verpflichtungen, die sie noch haben. Solange der Deal nicht in trockenen Tüchern ist, halten sie sich erst einmal bedeckt. Doch die Hürden, die noch vor der endgültigen Umsetzung der Übernahmepläne stehen, sind sehr hoch. Den Geschäftsbetrieb der Hertie-Warenhäuser zu übernehmen, ohne mit dem Immobilien-Eigentümer Dawnay, Day bzw. der niederländischen Mercatoria Akquisitions BV, Mutter der vielen rechtlich selbstständigen Gesellschaften, in die die Hertie-Immobilien eingestellt wurden, einen gültigen Mietvertrag ausgehandelt zu haben, das Risiko ist ihnen dann doch zu hoch. Bekanntlich hat Dawnay, Day die Mietverträge 2009 gekündigt, nachdem Hertie im Zuge des Insolvenzverfahrens keine Mieten mehr bezahlt hatte.

Und Insolvenzverwalter Biner Bähr hatte die Kündigung akzeptiert, da er mit dem Argument, die bisherigen Mieten seien zu hoch, seit Monaten neue Verträge mit der Mercatoria aushandeln will. Insofern würden die neuen Hertie-Betreiber ohne gültige Mietverträge Gefahr laufen, vom Immobilieneigner kurzfristig vor die Tür gesetzt zu werden. Von den 54 Filialen, die Hertie nach Schließung von 19 Häusern heute noch betreibt, gehören 43 Dawnay, Day bzw. Mercatoria. Mit den meisten der übrigen 11 Eigentümern konnte sich Hertie nach Aussage eines Sprechers bereits einigen. Laut Schuchardt stehen die Hertie- Investoren nun vor der Aufgabe, für die besagten Häuser Verträge mit vernünftigen Mieten und der handelsüblichen Laufzeit von 5 bis 10 Jahren auszuhandeln.

Dass sich die Gegenseite bislang so wenig verhandlungsbereit zeigt, hat vielschichtige Gründe. Die Ursachen reichen zurück bis ins Jahr 2005, als der frühere Arcandor-Chef Thomas Middelhoff die ehemaligen Karstadt-Kompakt- Warenhäuser nebst den Namensrechten für Hertie an den britischen Investor Dawnay, Day verkauft hatte – laut Schuchardt zu überhöhten Preisen. Und diese Kaufpreise wurden dann mittels Mieterhöhungen an die Hertie-Häuser weiter gegeben, doch Hertie habe die Mieten bereits nach einem Jahr nicht mehr bezahlen können, berichtet Schuchardt.

Gewissermaßen habe Dawnay,Day die Miete an sich selbst nicht mehr bezahlen können. Schon vor der Insolvenz von Hertie habe ein Zahlungsrückstand bestanden. Dass sich die Gegenseite dennoch so schwer tut, über niedrigere Mieten zu verhandeln, kann Schuchardt sogar verstehen. Denn Mercatoria braucht das Geld, um Zinsen und Tilgungsraten für das Darlehen, das die Deutsche Bank Dawnay,Day seinerzeit zur Finanzierung des Karstadt-Kompakt-Deals gewährt hatte, zu bezahlen. Derzeit tue sich Dawnay, Day schwer, das Geld dafür aufzubringen.

„Aber das kann nicht unser Problem sein“, so Schuchardt. Deshalb hatte Dawnay, Day auch den Immobilienvermarkter Atisreal mit dem Verkauf der Hertie-Immobilien beauftragt, um Geld zu beschaffen. Nach jüngsten Angaben von Atisreal wurden bisher 7 Immobilien verkauft, für 10 weitere soll es Verkaufsvorverträge geben. Von den 19 Häusern, die Hertie bis jetzt geschlossen hat, wurde aber offenbar noch keins verkauft. Der Immobilien-Eigentümer steht damit vor einer wirklich schwierigen Entscheidung.

Setzt er weiter auf die Hoffnung, dass er alle Immobilien verkaufen und so das Geld zur Bedienung des 350 Mio. Euro-Darlehens beschaffen kann und lehnt Mietpreissenkungen kategorisch ab, um für die potenziellen Käufer keine Fakten zu schaffen, wird der Deal mit den Investoren scheitern und Hertie müsste die Filialen schließen. Der bisher schleppende Verkauf der Immobilien und die Tatsache, dass auch die aufgegebenen 23 Sinn-Leffers-Häuser immer noch leer stehen, sprechen nicht dafür, dass der Verkauf schnell gelingt oder dass sich schnell neue Mieter finden.

Zudem gerät Dawnay, Day zusätzlich unter Zeitdruck, wenn die Häuser leer stehen, was den Verkaufspreis weiter drücken dürfte. Lässt sich der Immobilien-Eigner auf niedrigere Mieten ein, behält er zumindest seinen Mieter und erzielt monatliche Mieteinnahmen – mit der Hoffnung, dass sich Hertie wieder erholt und langfristig vielleicht höhere Mieten möglich sind. Wie Christoph Meyer, Mitglied der Atisreal-Geschäftsleitung in einem Interview mit der taz jüngst signalisierte, sei das Interesse, die Filialen zu vermieten, auf jeden Fall da. Was eine Einigung noch erschwert, ist die Tatsache, dass die Fronten nach den vielfältigen Schuldzuweisungen verhärtet sind und die Furcht vor dem Gesichtsverlust groß sein dürfte.

Doch letztlich sollten sich die Verhandlungsführer von den Zahlen beeinflussen lassen und die Lösung wählen, die noch das meiste Geld einbringt. Schuchardt seinerseits signalisiert, dass Hertie bereit ist, Kompromisse mit Dawnay, Day zu schließen. „Wenn die die Immobilien entwickeln wollen, dann können die das mit uns tun“, so Schuchardt. In vielen Häusern gibt es laut Schuchardt zudem noch zu viel Lagerfläche, die heute nicht mehr benötigt wird. Auch hier sieht Hertie noch weiteres Entwicklungspotenzial, das gehoben werden sollte.

Die Eckpunkte des neuen Konzepts sehen die Weiterentwicklung der Hertie- Filialen zu Nachbarschaftskaufhäusern vor, die sich auf Waren des kurzfristigen Bedarfs für die Mittelschicht in der Bevölkerung – auch junge Familien – in den Mittel- und Kleinstädten spezialisieren. Sortimentsschwerpunkte sind Bekleidung, Kindermode und Spielwaren, Schreibwaren und Kurzwaren, die laut Schuchardt hervorragend laufen, sowie Accessoires und Heimtextilien. In den Bereichen Glas und Porzellan sei es notwendig, häufig wechselnde Sortimente anzubieten.

Stadt Wesseling hofft auf die Erhaltung von Hertie

Die Sortimentssteuerung soll laut Schuchardt eng mit den Lieferanten laufen. Eine klassische Einkaufsabteilung, wie sie in den Kauf- und Warenhäusern üblich war, wird es nicht geben. Die Hersteller werden – noch stärker als bisher schon – mit dem Warenwirtschaftssystem von Hertie verbunden, um so die Informationen über den Abverkauf zu erhalten.

„Wir setzen sehr stark auf die Partnerschaft mit den Lieferanten, die diese Flächen bestücken“, so Schuchardt. Aus seiner Sicht ist es auch vorstellbar, dass sich noch weitere Interessenten wie Hersteller, die Interesse daran haben dürften, ihre Waren über die Hertie-Flächen abzusetzen (Shop-in-Shop), neben den bisherigen Investoren an Hertie beteiligen werden. In der Stadt Wesseling zwischen Köln und Bonn, die sich im vergangenen Sommer einen Namen gemacht hatte, als sie Insolvenzverwalter Biner Bähr zusammen mit allen von der Hertie- Insolvenz betroffenen Bürgermeistern zum Diskussionsforum eingeladen hatte, werden die Ereignisse bei Hertie sehr genau beobachtet.

„Wir würden es begrüßen, wenn uns Hertie in Wesseling erhalten bleiben würde“, betont Peter Adolf von der Pressestelle der Stadt Wesseling unumwunden. „Ich sehe jede andere Lösung mit Sorge.“

Das Hertie-Haus in Wesseling gehört zwar zu den 7 guten Häusern, für die Atisreal einen Käufer gefunden hat. Und der neue Eigentümer hat laut Adolf auch bereits versichert, dass er für den Fall der Hertie-Schließung einen Plan B hat, doch werden alle möglichen Alternativen zum innerstädtischen Warenhaus als schlechtere Lösung angesehen. Dass bisher noch keine Landesbürgschaft beantragt wurde, hat laut Schuchardt einen einfachen Grund: Die Bürgschaften müssen von den Kredit gebenden Banken beantragt werden. Doch zuvor muss die Frage der Mietverträge geklärt werden, damit der Kauf abgeschlossen werden kann. Sobald der steht, kann die Bank den Kredit zusagen und die Bürgschaft beantragen.

gi24/HIR, Nr. 46

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