Von Dr. Uwe Koch
Am Wochenende herrschte großer Andrang beim „Tag der offenen Tür“ der Bundesregierung. Viele Tausend Besucherinnen und Besucher kamen bereits in den ersten Stunden am Samstag, darunter auch meine Wenigkeit. Der mittlerweile zehnte Tag der offenen Tür der Bundesregierung – ein Publikumsmagnet im Berliner Veranstaltungskalender. Auch die Einladung zum Staatsbesuch des Finanzministeriums, das mit einer Sonderausstellung „Der Staatsschatz“ in der Wilhelmstraße 97 die Bundesbürger in ihren Bann zog und ihnen die Möglichkeit gab, einen Blick auf unser aller Staatsschatz zu werfen.
Wie er leuchtet, wie er glänzt, doch der Steuerzahler ist schlau und er weiß, es ist nicht alles Gold was glänzt, so zum Beispiel die Meldung über den Verkauf der Mittelstandsbank IKB. Um die 800 Mio. Euro sollte der Verkauf schon bringen, hatte die Bundesregierung gehofft und damit sollte das Desaster um die Mittelstandsbank beendet werden.
Rund 11 Mrd. Euro hat das Drama um die IKB bislang insgesamt gekostet, etwa 9 Mrd. Euro hat der Staat bisher zahlen müssen. Schlägt man diese Summe auf die Bevölkerung in Deutschland um, hat jeder Bürger, auch wenn er vorher nicht gefragt wurde, für die Rettung der angeschlagenen Mittelstandsbank bislang rund 110 Euro bezahlt und zwar deswegen, weil die IKB zu einem Großteil der bundeseigenen KfW und damit dem Bund gehört.
Der KfW-Verwaltungsrat muss Mitte September dem Verkauf der IKB zwar erst noch zustimmen, doch kauft sie jetzt wohl eine sogenannte Heuschrecke, der auf Problemkredite und angeschlagene Firmen spezialisierte US-Investor Lone Star, zu einem Schleuderpreis für rund 100 Mio. Euro.
Jetzt tauchen immer mehr Fragen auf. Wie teuer ist der Verkauf der IKB wirklich? Wurde das Parlament ausreichend informiert? Und offenbar soll es neben der US-Firma Lone Star noch einen anderen, einen russischen Mitbieter gegeben haben, der angeblich einen deutlich höheren Preis zu zahlen bereit war.
„Zum Nulltarif verhökert“
teilt der Steuerzahler Bund in einer Pressemitteilung mit.
Der russische Oligarch Alexander Lebedew hätte Medienberichten zufolge offenbar mehr geboten. Die Rede ist vom 6-fachen und damit deutlich mehr, als der zum Zuge gekommene „Einsame Stern“.
„Wir hätten substanziell in die IKB-Bank investiert, um ihren Fortbestand als funktionierende Mittelstandsbank zu sichern”,
sagte Lebedew der WAZ.
Doch auch hier gilt, es ist nicht alles Gold was glänzt.
„Ein hoher Kaufpreis, der alle Risiken beim Staat belässt, kann für die Bundesrepublik Deutschland ein erheblich schlechteres Geschäft sein, als ein niedriger Kaufpreis wo der private Investor auch die Risiken mitnimmt und entsprechend dann dafür später gerade zu stehen hat“,
weiß Steffen Kampeter von der CDU/CSU-Fraktion in einem Interview gegenüber der ARD.
„Man darf den Kaufpreis nicht alleine anschauen“
sagt auch die Grünen-Politikerin und eines der Mitglieder des Verwaltungsrats der KfW, Christine Scheel, in einem Interview mit dem Deutschlandfunk, wobei die Verwaltungsrätin explizit betonte, dass sie nie mit der Aufsicht bei der IKB beschäftigt war, weil die ja einen eigenen Aufsichtsrat hat und Scheel weiter „kein politisches Mandat von den einzelnen Parteien“ in diesem Aufsichtsgremium vertreten ist. Scheel möchte, dass mit dem Verkauf ein Schlussstrich gezogen wird. Wichtig ist, dass für die Zukunft der Steuerzahler nicht derjenige ist, der die Risiken trägt, sondern das muss Lone Star übernehmen.
Ob dies allerdings so kommt, ist keinesfalls gewiss. Politiker aller Fraktionen beklagen, sie würden von der Bundesregierung viel zu wenig erfahren. FDP-Chef Westerwelle drohte im ARD-Sommerinterview schon mal parlamentarische Zwangsmittel an. Er werde in der kommenden Woche mit dem Bundesfinanzminister ein Vieraugengespräch genau zu diesem Thema haben. Danach wird entscheiden, ob auf der Klausurtagung, die Mitte September stattfindet, die Notwendigkeit eines Untersuchungsausschusses seitens der FDP gesehen wird.
Im Interesse der Steuerbürger dürfte es dann auch um die Frage gehen, warum der Staat überhaupt im privaten Bankensektor tätig war und deshalb jetzt der schöne Schatz um ein großes Stück kleiner ist.
Das punctum saliens dürfte aber auch nach wie vor die Frage sein, wer für das milliardenschwere IKB-Schlamassel verantwortlich ist und wie zahlreiche Persönlichkeiten, die in den Aufsichtsgremien der IKB (der Aufsichtsrat der IKB weist nicht nur einen Vertreter des Bundesfinanzministeriums auf, auch viele namhafte Namen aus der Wirtschaft) und der KfW sitzen (darunter etliche Bundesminister, zahlreiche Abgeordnete aus Bund und Ländern und nicht zuletzt Vertreter von Landesbanken, Sparkassen und privaten Banken), von dem IKB-Desaster überrascht werden konnten.
Die IKB und die Chronologie ihrer Krise:
Die Mittelstandsbank IKB ist auf Finanzierungen für mittelständische Unternehmen spezialisiert und bereits seit Jahrzehnten ein enger Partner der staatlichen Förderbank KfW (80% Bund, 20% Länder) bei der Durchleitung von KfW-Programmen für die mittelständische Wirtschaft. Die KfW ist mit über 40% Hauptaktionär der IKB.
Hauptverantwortlich für die Krise der IKB ist u.a. der Investmentpool Rhineland Funding, der von der IKB beraten wird. Die IKB-Krise hat in Deutschland im Sommer 2007 den Start der in den USA ausgelösten Finanzmarktkrise markiert. Im Kern geht es dabei um Verluste durch die von der IKB betreute Rhineland Funding, Verluste durch riskante Papiere in der IKB-Bilanz selbst und zudem um Verluste durch den massiven Kursabsturz der IKB- Aktien. Nachfolgend die Dokumentation über die Entwicklung der IKB-Krise der dpa.
30. Juli 2007 – Die KfW übernimmt alle Rechte und Pflichten aus einer Liquiditätslinie, die die IKB der Zweckgesellschaft Rhineland Funding gegeben hatte. Das Volumen wird von der KfW in einem Schreiben an die US-Börsenaufsicht mit etwa 8,1 Milliarden Euro angegeben.
2. August 2007 – Die IKB teilt mit, dass die KfW nicht nur alle Risiken der Rhineland Funding, sondern darüber hinaus weitere erwartete mögliche Verluste aus riskanten Bilanzpositionen der IKB in Höhe von einer Milliarde Euro übernehmen wird.
15. August 2007 – Die KfW schätzt in einem Bericht an die US- Aufsicht das Potenzial des möglichen Verlustes aus der Risikoabschirmung der IKB auf 2,5 Milliarden Euro und bildet dafür eine Rückstellung. Später wird die Risikovorsorge auf 4,8 Milliarden Euro aufgestockt.
16. August 2007 – Der inzwischen gebildete Bankenpool aus KfW, öffentlichen und privaten Banken einigt sich auf eine Aufteilung der Kosten für die Risikoabschirmung der IKB bezüglich Rhineland Funding sowie weiterer direkter Investments der IKB in strukturierte Kreditderivate. Demnach trägt die KfW 70 Prozent der Lasten, 30 Prozent übernehmen die übrigen Banken. Dabei sollten die Kosten für die übrigen Banken zunächst auf eine Milliarde Euro begrenzt sein.
28. November 2007 – Der Bankenpool einigt sich auf die Übernahme von rund 520 Millionen Dollar (350 Mio Euro) weiterer Risiken bei der IKB, die bislang nicht unter den Risikoschirm gefallen sind. Dabei handelt es sich um Zusagen, die die IKB dritten Banken gegeben hatte, wenn diese Geld an Rhineland Funding geben. Diese Rückversicherung lief unter dem Namen Havenrock. Rund 43 Prozent dieser Summe trägt die KfW, den Rest die übrigen Banken. In der Folge weist der Fonds für allgemeine Bankrisiken der KfW nur noch 350 Millionen Euro auf.
31. Dezember 2007 – Die KfW muss den Wert ihres IKB-Pakets angesichts des Kursabsturzes der IKB-Aktie teilweise abschreiben. Die Aktie war von zeitweise mehr als 30 Euro auf rund 6 Euro zum Jahresende abgestürzt.
7. Januar 2008 – Die KfW übernimmt im Rahmen der Umsetzung der jüngsten Risikoabschirmung eine von der IKB emittierte Aktienanleihe im Volumen von 54,3 Millionen Euro. Der Anteil der KfW an der IKB könnte sich damit von 37,8 auf 43,4 Prozent erhöhen. Zwei Tage später wird auch der Rest der jüngsten KfW-Zusage durch Verträge umgesetzt.
13. Februar 2008 – Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) und Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) teilen nach einer Krisensitzung des KfW-Verwaltungsrats in Berlin mit, dass die IKB weitere 1,5 Milliarden Euro erhalten solle. Davon will der Bund eine Milliarde Euro aufbringen. Da die KfW 800 Millionen Euro als Verkaufserlös aus ihrem IKB-Anteil einplant, umfasst das Rettungspaket brutto sogar 2,3 Milliarden Euro.
19. Februar 2008 – Die KfW gibt der IKB gemäß der Vereinbarung 600 Millionen Euro. Das Geld ist als Kredit ausgestaltet.
3. März 2008 – Die Suche nach einem Käufer für die IKB zieht sich in die Länge. Nach Informationen aus Finanzkreisen gibt es gut ein halbes Dutzend Interessenten.
20. März 2008 – Eine zweite Tranche aus dem Rettungspaket vom Februar wird an die IKB gezahlt. Nach den 600 Millionen Euro im Februar fließen nun noch einmal 450 Millionen Euro, heißt es in einer IKB-Mitteilung. Die übrigen 1,25 Milliarden Euro sollen dem Vernehmen nach für die geplante große Kapitalerhöhung bei der IKB zur Verfügung stehen, durch die die KfW auf etwa 90 Prozent der Anteile kommen könnte. Zudem berichtet die IKB, sie erwarte zusätzliche 590 Millionen Euro Bewertungsverluste auf ihre Bestände und rechnet nunmehr für mehrere Geschäftsjahre mit keinen oder nur geringen Überschüssen.
28. März 2008 – Die Hauptversammlung der IKB beschließt die Kapitalerhöhung.
12. Juni 2008 – Die Kleinaktionäre der IKB drohen auf ihren Verlusten sitzenzubleiben. Das Düsseldorfer Landgericht lehnt mehrere Schadenersatzklagen von Anlegern ab, die durch den dramatischen Kurseinbruch der IKB-Aktie zum Teil mehr als 10.000 Euro verloren hatten.
22. Juli 2008 – Die KfW Bankengruppe stellt der IKB eine weitere Liquiditätslinie von 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Hintergrund sind nach Angaben der Bank Verzögerungen bei der Kapitalerhöhung. Außerdem reißen die bilanziellen Belastungen nicht ab: Für das Ende Juni abgelaufene Quartal erwartet die IKB einen Bewertungsverlust von einer halben Milliarde Euro. Kritiker sprechen von einem "Fass ohne Boden".
14. August 2008 – Die KfW muss die IKB-Kapitalerhöhung nahezu allein stemmen. Von den innerhalb der Zeichnungsfrist ausgeübten Bezugsrechten für neue IKB-Aktien entfielen mehr als 99 Prozent auf die KfW Bankengruppe. Das geht aus einer Pflichtmitteilung der IKB hervor. Der Vollzug der Kapitalerhöhung durch die KfW wird voraussichtlich erst im Oktober erfolgen, weil eine Entscheidung der europäischen Wettbewerbshüter abgewartet wird.
21. August 2008 – Die KfW teilt mit, der US-Finanzinvestor Lone Star kaufe das gesamte Aktienpaket in Höhe von 90,8 Prozent. Für den Verkauf ist nach Angaben der KfW ein "angemessen positiver Kaufpreis" erzielt worden. Der Bund hoffte nach früheren Angaben auf Erlöse in Höhe von 800 Millionen Euro aus dem IKB-Verkauf.
Quelle: dpa (zit. nach: mdr.de)
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