Von Dr. Karsten Junius, Leiter Kapitalmarkt- und Immobilienresearch, DekaBank
Die Kreditkrise, die hohen Ölpreise, steigende Zinsen und fallende Hauspreise haben die Weltwirtschaft derzeit im Griff. Deutschland konnte sich diesem Umfeld bis zum ersten Quartal dieses Jahres aber sehr gut entziehen. Ein hohes Auftragspolster sowie das Ende der degressiven Abschreibungsmöglichkeiten zum Jahresende hatten für eine weiterhin hohe Produktion gesorgt. Getrieben von starken Investitionen stieg das Bruttoinlandsprodukt im 1. Quartal um sagenhafte 1,5% ggü. Vq. Die Arbeitslosenquote ging entgegen dem Trend in Euroland weiter zurück und lag zuletzt bei nur noch 7,8% – der niedrigste Stand seit rund 15 Jahren. Die Erwerbstätigkeit wird 2008 gemäß DekaBank-Prognosen um 1,1% zunehmen. Viele Konjunkturprognosen mussten daher seit Jahresbeginn angehoben werden. So stieg die Consensus-Prognose für das deutsche Wachstum in diesem Jahr seit Januar von 1,8% auf 2,2%. Zum Vergleich für Euroland insgesamt und inklusive der besseren deutschen Perspektiven ging sie von 1,8% auf 1,7% zurück. Hält dieser Sonderweg Deutschlands an?
Weniger strukturelle Probleme als in anderen EWU-Ländern
Deutschland steht tatsächlich in einiger Hinsicht besser dar als andere Länder der Währungsunion. Zum einen liegt dies daran, dass in Deutschland sicherlich keine Hauspreisblase zu vermuten ist. Das Rückschlagspotenzial und damit die Stabilität der privaten Finanzen ist weniger verwundbar als in den meisten anderen Ländern, wo sich in den letzten 10 Jahren die Hauspreise teilweise verdoppelten. Entsprechend geringer ist auch das Rückschlagspotenzial im Bausektor, der anders als beispielsweise noch 1995 oder aktuell in Spanien nicht aufgebläht erscheint. Stabiler sind auch die Unternehmensfinanzen, sodass deutsche Unternehmen von einer restriktiveren Kreditvergabe der Banken weniger betroffen sind als andere. Die Selbstfinanzierungsquote liegt in Deutschland bei über 100%, was bedeutet, dass die Bruttoinvestitionen bislang mehr als komplett durch die Unternehmensersparnisse und der Staatszuschüsse finanziert werden konnten. Ein weiterer Grund für die relativ günstige deutsche Situation ist die Lohnzurückhaltung der vergangenen Jahre, die die Wettbewerbssituation der deutschen Unternehmen gestärkt hat. So nahmen die Lohnstückkosten in Deutschland bis zuletzt langsamer zu als in der Eurozone insgesamt. Vor der Währungsunion konnten die anderen Länder über eine Abwertung ihrer Wechselkurse gegenüber der D-Mark schnell Wettbewerbsfähigkeit wiedererlangen. Diese Möglichkeit besteht nun nicht mehr. Stattdessen bleiben nur ein höheres Produktivitätswachstum und Lohnzurückhaltung – beides Gebiete, auf denen sich beispielsweise Italien, Spanien oder Portugal schwer tun. Zum Vorteil von Deutschland bleiben die Wettbewerbsvorteile in einer Währungsunion damit länger bestehen als zwischen Regionen mit flexiblen Wechselkursen.
Deutschland kann sich internationalem Sog aber nicht komplett entziehen
Eine sich eintrübende Weltkonjunktur und der starke Euro gehen allerdings an der exportorientierten Wirtschaft in Deutschland auch nicht spurlos vorbei. Nahezu alle Konjunkturindikatoren sind seit Jahresbeginn deutlich zurückgegangen. Die Auftragsbestände sind in den letzten Monaten ziemlich abgeschmolzen, die Neuaufträge und die Industrieproduktion waren im Mai genau wie die Exporte sogar rückläufig. Nach dem starken 1. Quartal rechnen wir daher mit einem Rückgang der Anlageinvestitionen im 2. Quartal. Dies gilt noch stärker für die Bauinvestitionen, die im 1. Quartal von einer ungewöhnlich milden Witterung profitierten. Auch der private Konsum wird das Wachstum nur mäßig stützen können. Die günstige Arbeitsmarktentwicklung hat zwar zu einem starken Anstieg der verfügbaren Einkommen geführt, die Inflationsentwicklung von zuletzt 3,3% ggü. Vj. begrenzt aber die Realeinkommen deutlich. Zudem schlagen die hohen Preissteigerungsraten und die noch höhere gefühlte Inflation auf die Kauflaune der Konsumenten. Zusammengenommen prognostizieren wir, dass auf das starke 1. Quartal ein Rückgang des BIP im 2. Quartal von 0,3% ggü. Vq., ein Nullwachstum im 3. Quartal und eine Rückkehr in Richtung Potenzialwachstum zum Jahreswechsel folgen.
Immobilienmarkt bleibt stabil
Die konjunkturellen Vorzeichen für die Nachfrage auf den Immobilienmärkten könnten besser sein – wie auch der Rückgang des King Sturge Immobilienkonjunkturindex zeigt; schlecht sind sie aber noch nicht, da wir weder für dieses noch nächstes Jahr von einem spürbaren Arbeitsplatzabbau ausgehen. Günstig wirkt sich zudem das relativ geringe Neubauvolumen der Vergangenheit aus. Wir erwarten für 2008 und 2009 weiter einen moderaten Mietanstieg bei ebenfalls leicht ansteigenden Anfangsrenditen von Gewerbeimmobilien.
Quelle: DIB, Nr. 170, 11.07.2008