Revitalisierung Handelsimmobilien: Noch ein sehr großes Betätigungsfeld

(Von Ruth Vierbuchen, Chefredakteurin „Handelsimmobilien Report“) Dass in Deutschland etwa die Hälfte der Shopping-Center revitalisierungsbedürftig ist, hatte vor einem Jahr selbst Experten überrascht. Der bestehende Revitalisierungsbedarf schließt aber auch Möbelmärkte, Kauf- und Warenhäuser, kleine und große Fachmärkte sowie innerstädtische Geschäftshäuser mit ein, wie Joachim Stumpf, Geschäftsführer der BBE Handelsberatung und der IPH Handelsimmobilien in München, aufzählt. Der Bedarf geht damit deutlich über den Shopping-Center-Markt hinaus.

Dabei sind es die revolutionären Ideen, genauso wie die schleichenden Marktveränderungen, die einstmals erfolgreiche Einzelhandelskonzepte und ihre Immobilien ins Abseits katapultieren können – und die Frage nach der Aufwertung durch Revitalisierung aufwerfen. Dazu gehören der Wettbewerbsdruck durch Markt- und Flächenentwicklung wie durch die Ansiedlung eines neuen Shopping-Centers, veränderte Verbraucheransprüche oder demographische Veränderung der Kundenstruktur und die Entwicklung der Betriebstypen. „Sobald sukzessive die Marktsättigung erreicht wird oder schlagartig neue Wettbewerber im Einzugsgebiet auftreten, werden bei einer Handelsimmobilie Anpassungen nötig“, schreibt Stumpf gemeinsam mit Markus Wotruba, Leiter Standortforschung bei der BBE in dem Buch „Einzelhandelsimmobilien – Marktsituation, Perspektiven, Trends“, herausgegeben von R. Soethe und W. Rohmert im Haufe Verlag. Unter Revitalisierung versteht die BBE „umfangreiche Renovierungs- und Umstrukturierungsmaßnahmen unter Berücksichtigung baulicher, technischer und marketingbezogener Aspekte“ zur Steigerung des Immobilienwerts.

Bei den Warenhäusern dauerte es 100 Jahre, bis unter dem Druck der wachsenden Sortimente und der Billig-Konkurrenz durch Fachmärkte an kostengünstigen Standorten das Alles-unter-einem-Dach-Konzept aufgegeben werden musste. Verstärkt wurde der Druck durch Bekleidungsfachgeschäfte, Monomarken-Stores und Shopping- Center. Seither suchen die Warenhäuser nach der richtigen Angebotsstruktur.

Da das nicht an jedem Standort gelungen ist, stehen zahlreiche Warenhäuser (z.B. Hertie) zum Redevelopement an, d.h. zum umfassenden Umbau bis hin zum Abriss und zur Veränderung der Nutzungsstruktur. Beispiele für Warenhaus- Redevelopements sind die Centrum-Galerie in Dresden auf dem Areal eines Centrum-Warenhauses oder die Wilmersdorfer Arcaden auf dem Fundament eines Kaufhof-Hauses. Als Nachnutzungen kommen auch großflächige Fachmärkte – wie Saturn im ehemaligen Horten-Kaufhaus in Hamburg – in Frage. „Kleinere Immobilien bieten die Chance, die nach Jahren des Rückzugs schmerzlich vermissten Nahversorgungsangebote in quantitativ neuer Qualität in die Innenstädte zu bringen“, zählen Stumpf/Wotruba auf. Hier sind die Hybriden Malls – teils Fachmarkt-, teils Shopping- Center – zu nennen. Aber auch eine Perspektive als Warenhaus ist für Stumpf denkbar, und zwar durch einen neuen Inhaber aus der Region. Dass Warenhäuser eine Zukunft haben, wenn sie von einem engagierten Unternehmer geführt werden, zeigen aus Sicht der BBE mittelständische Kaufhausketten (wie Kaufhaus Rid in Bayern oder Kaufhaus Stolz auf Fehmarn). An schlechten Waren- und Kaufhaus-Standorten bleibt dagegen nur die Umwidmung in andere Nutzungsarten wie etwa Wohnungen oder Bibliotheken.

Die unerwartete Renaissance der Supermärkte

Ein anderes Feld sind die großen SB-Warenhäuser, die in den 1970er/1980er-Jahren das Alles-unter-einem-Dach-Prinzip auf der grünen Wiese mit Heimwerkerbedarf und Unterhaltungselektronik sowie einem großen Lebensmittel-Angebot als Frequenzbringer realisierten. Sie fokussieren sich heute auf das Lebensmittelsortiment mit kleinem Nonfood-Angebot, weil die Konkurrenz durch Bau- und Elektrofachmärkte zu groß ist. Hier gilt es bei der Revitalisierung eine Lösung für die überschüssige Fläche zu finden.

Interessant ist derzeit die Entwicklung der Supermärkte, lange Jahre die Verlierer im Wettbewerb mit Discountern und SB-Warenhäusern. Sie erleben – auch als kleinflächige City-Märkte in Innenstädten und Stadtteillagen – ihre Renaissance durch Revitalisierung. Ein markanter Zeitpunkt, der im Supermarkt-Segment die Wende einläutete, war für Stumpf und Wotruba 2007 das Pilotprojekt der Edeka in der Römerstraße in Ingolstadt. Jahrelang hätten die Betreiber tatenlos zugesehen, wie Discounter, Bio-Supermärkte und Tiefkühl-Discounter den nicht mehr zeitgemäßen Supermärkten Marktanteile wegnahmen: „Sukzessive kommt es nun zu einer Revitalisierung von Lebensmittelmärkten.“

Das eröffnet neue Optionen wie das Beispiel Tengelmann in der Leopoldstraße in München zeigt. Nach Abriss des Gebäudes entstand im Neubau ein moderner Supermarkt und Raum für einen Esprit-Store im Erd- und im 1. Obergeschoss. Das dürfte die Miete und damit den Wert der neuen Immobilie deutlich steigern. Seit einigen Jahren haben auch die großen Lebensmittelanbieter Edeka und Rewe umfangreiche Revitalisierungs-, Renovierungs- und Expansionsprogramme aufgelegt.

Das Stadium der Marktsättigung im Lebenszyklus hat laut Stumpf/Wotruba auch die Baumarktbranche erreicht. Mit Differenzierungsmaßnahmen wie etwa mit größeren Märkten, die eine autofreundliches „Drive in“ bieten, sucht sie die Wende. Dadurch geraten die Eigner der kleineren Baumärkte unter Druck, nach neuen Nutzungen zu suchen. Da aber an solchen Standorten in Sondergebieten für großflächigen Einzelhandel meist eine baurechtliche Beschränkung auf nichtinnenstadtrelevante Sortimente vorliegt, kommt nicht jede Nutzung in Frage. Ein gangbarer Weg wäre aus Sicht der Experten z.B. die Nachnutzung durch einen Spezial- Möbelmarkt, wie etwa einen Küchenfachmarkt. Dazu schildern sie das Beispiel eines schlecht laufenden Baumarktes mit 2 600 qm Verkaufsfläche, eines leer stehenden Bodenfachmarktes und eines Hotels, die zum Geschäftshaus mit Media Markt und Intersport Vosswinkel als Ankermieter umgebaut wurden.

Last not least sind die revitalisierungsbedürftigen Fachmarkt- und Einkaufszentren zu nennen. Besonders deutlich lässt sich der Bedarf aus Sicht der Experten an der Hauptstadt der Einkaufszentren, an Berlin, ablesen. Aber auch bei den Shopping- Centern kleinerer Städte ist der Revitalisierungsbedarf ein großes Thema.

Bei den innerstädtischen Geschäftshäusern in 1A-Lagen in Ballungszentren und großen Städten mit hoher Zentralität sorgt die große Nachfrage der vertikalen Anbieter oder der Regionalfilialisten für Wertstabilität und in Revitalisierungsobjekten für einen neuen Wachstumsschub. „Dagegen befinden sich Geschäftshäuser in BLagen nahezu aller Städte und sogar in A-Lagen in Städten mit geringer Einzelhandelszentralität in der Schrumpfungsphase“, schreiben die Experten.

Die Entscheidung, ob eine Immobilie bis zum Leerstand weiter betrieben oder umgewandelt werden soll, muss aus ihrer Sicht in der Reifephase eines Objekts getroffen werden. Im harten Wettbewerb gilt laut Stumpf/Wotruba der Grundsatz: „Gute Konzepte verdrängen schlechte(re) Konzepte und gute Standorte verdrängen schlechte(re) Standorte.“ Die Güte von Konzept und Standort kann sich verschlechtern. Das lässt sich aber durch eine proaktive Revitalisierungsstrategie verhindern.

(Quelle: HIR, Nr. 108 vom 11.11.2011)